Remigrationserzählungen aus der Werkstatt der Erinnerung

Autorin: Andrea Althaus, Werkstatt der Erinnerung

Wie er­in­nern und er­zäh­len jü­di­sche Ver­folg­te die (vor­über­ge­hen­de) Rück­kehr in ihre „alte Hei­mat“? Wel­che Er­fah­run­gen ma­chen sie in der Stadt, aus der sie ver­trie­ben oder de­por­tiert wor­den sind? Und wie deu­ten sie ihre Re­mi­gra­ti­ons­er­fah­run­gen im le­bens­ge­schicht­li­chen Rück­blick? Diese Fra­gen bil­den den Aus­gangs­punkt für die hier prä­sen­tier­te Zu­sam­men­stel­lung von In­ter­viewaus­zü­gen aus der Werk­statt der Er­in­ne­rung, dem Oral-​History-Archiv an der For­schungs­stel­le für Zeit­ge­schich­te in Ham­burg.

Die Werk­statt der Er­in­ne­rung sam­melt seit über 30 Jah­ren In­ter­views mit jü­di­schen Ver­folg­ten und ihren Nach­kom­men, so­dass die­ser Be­stand mitt­ler­wei­le mehr als 700 In­ter­views um­fasst. In etwa 50 davon wird das Thema Rück­kehr an­ge­spro­chen. Eine klei­ne Aus­wahl an Re­mi­gra­ti­ons­er­zäh­lun­gen fin­det sich in die­sem Dos­sier.

Interview mit Elsa Davidsohn
„und so haben wir uns entschlossen […] 1958 nach Hamburg zu gehen“. Elsa Davidsohn über ihre Rückkehr nach Deutschland in den 1950er-Jahren.
Interview mit Roberto Kahn-Heymann
„Ich hätte gerne nochmal hier gewohnt“. Pendeln zwischen Spanien und Deutschland, 1952-1969.
Interview mit Franziska Mayer
„Und wir haben gedacht, wir würden immer da bleiben”. Elsa Mayer über ihre Remigration aus Peru. Bald verfügbar.
Interview mit Ruth Dräger
„Das war erst, zuerst ganz komisch”. Ruth Dräger über die Anfangszeit in Hamburg nach ihrer Befreiung in Theresienstadt.
Interview mit Esther Bejerano
„Also, das ist schon, eine [...] unheimliche Umstellung gewesen”. Esther Bejerano über den Umzug ihrer Familie von Israel nach Hamburg.
Interview mit Kurt van der Walde
„Wenn ich schon überlebt hab' [...] gemeinsam so arbeiten, daß die nie wieder 'ne Chance haben”. Kurt van der Walde über sein antifaschistisches Engagement.
Interview mit Menachem Uzai
„Meine Füße wer'n nie mehr den deutschen Boden [be]treten”. Menachem Uzai über seinen ersten Besuch in Hamburg.
Interview mit Rudolf Heymann
„Nun begann ein [...] traumwandlerisches Wiedererleben meiner Geburtsstadt”. Rudolf Heymann erinnert sich an der Neuanfang in Hamburg.

Be­son­de­rer Wert wurde bei der Aus­wahl dar­auf ge­legt, eine Band­brei­te an Ent­schei­dun­gen für oder gegen eine (vor­über­ge­hen­de) Rück­kehr sowie un­ter­schied­li­che For­men der Re­mi­gra­ti­on ab­zu­de­cken, um auf die Sub­jek­ti­vi­tät und He­te­ro­ge­ni­tät zu ver­wei­sen, die die­ses Thema aus­ma­chen. Zu Wort kom­men so vier Frau­en und vier Män­ner, die zwi­schen 1903 und 1928 in Deutsch­land zur Welt kamen, den Ho­lo­caust trotz der De­por­ta­tio­nen in ver­schie­de­ne Lager über­le­ben oder recht­zei­tig ins ret­ten­de Exil flüch­ten konn­ten. Sie alle kehr­ten nach dem Zwei­ten Welt­krieg für kür­ze­re oder län­ge­re Zeit nach Ham­burg zu­rück und waren be­reit über ihre Er­fah­run­gen zu spre­chen. Die Rück­kehr konn­te dabei so­wohl aus dem Exil oder einem neuen bzw. vor­über­ge­hen­den Zu­hau­se im Aus­land als auch nach der Be­frei­ung aus einem Lager er­fol­gen, so etwa bei Ruth Drä­ger, die nach ihrer zwei­jäh­ri­gen Haft 1945 aus dem Ghet­to The­re­si­en­stadt zu­rück nach Ham­burg kam. Dass die Rück­kehr oder das Nach­den­ken über Re­mi­gra­ti­on von den je­wei­li­gen Le­bens­kon­tex­ten ab­hängt und dem­nach zu sehr un­ter­schied­li­chen Zei­ten statt­fin­det, ver­deut­licht das In­ter­view mit Fran­zis­ka Mayer, die 1989 aus Peru re­mi­grier­te, von wo sie nach über 50 Jahre auf­grund von po­li­ti­schen Un­ru­hen er­neut flüch­ten muss­te. Al­lein diese bei­den Bei­spie­le zei­gen wie viel­fäl­tig die hier prä­sen­tier­ten (Re-)Mi­gra­ti­ons­ver­läu­fe und -wege sind. Den fa­cet­ten­rei­chen Er­zäh­lun­gen ge­mein ist, dass sie Zu­ge­hö­rig­kei­ten re­flek­tie­ren, Ver­än­de­run­gen von Stadt und Ge­sell­schaft dis­ku­tie­ren und sich auf je sub­jek­ti­ve Weise mit ihren Verfolgungs-​ und Mi­gra­ti­ons­er­fah­run­gen aus­ein­an­der­set­zen. Die Aus­schnit­te ma­chen deut­lich, dass sich Fra­gen von Re­mi­gra­ti­on und Zu­ge­hö­rig­kei­ten be­son­ders gut in per­sön­li­chen Nar­ra­ti­ven – im Span­nungs­feld von (familien-​)bio­gra­fi­schen Er­fah­run­gen und ge­sell­schafts­po­li­ti­schen Rah­men­be­din­gun­gen – nach­voll­zie­hen las­sen. Die je­weils ge­fun­de­nen Ant­wor­ten sind eben­so in­di­vi­du­ell wie sie si­tua­tiv ver­schie­den sein kön­nen. Die In­ter­viewaus­schnit­te sind damit Quel­len für die Deu­tung der je­wei­li­gen Lebens-​ und (Re-)Mi­gra­ti­ons­we­ge durch die Er­zäh­len­den zum Zeit­punkt ihrer Auf­nah­me.

Wer die In­ter­views in Gänze an­hö­ren und ver­tieft damit ar­bei­ten möch­te, ist herz­lich will­kom­men, sie in der Werk­statt der Er­in­ne­rung ein­zu­se­hen.