Interview mit Kurt van der Walde, geführt von Alfons Kenkmann, am 9. und 30.5.1994, FZH / WdE 251.

    Kurt van der Walde zum Zeit­punkt des In­ter­views, FZH / WdE 251, Al­fons Kenk­mann
    []

    W: in, in der Firma, in der ich ar­bei­te­te, und der Krieg ging wei­ter und ging dem Ende lang­sam zu, und immer wie­der die Fra­gen: „Kurt, when are you going home?“ Kam von ein­zel­nen na­tür­lich auch.
    K: Also sie, sie frag­ten also, wann, wann keh­ren Sie zu­rück?
    W: Über­haupt nicht, keine Ge­häs­sig­keit, gar nicht. Und auch wie­der, das muss ich hier be­to­nen, das muss man ein­fach sagen, be­son­ders die Frau­en haben sich sehr gut ver­hal­ten.
    K: Mh.
    W: Die Ar­bei­te­rin­nen. Das ist ganz er­staun­lich.
    K: Mh.
    W: Ich will da auch nicht ver­all­ge­mei­nern.
    K: Mh.
    W: Um Him­mels Wil­len nicht, dass alle gleich waren. Aber eine eh, nur das Bei­spiel als ich zu­rück­kehr­te: ...
    K: Mh.
    W: Män­ner oft: „When are you going home?“ Das müs­sen wir als Bei­spiel brin­gen. Und ich hab’ mich ent­schlos­sen, schon im Jahre 1946 wie­der zu­rück­zu­keh­ren.
    K: Wann?
    W: Im No­vem­ber hat­ten die, also ich konn­te ja nur zu­rück­keh­ren, wenn das Schiff fuhr und die Be­reit­schaft war von Eng­land aus, mich zu­rück­zu­las­sen.
    K: Ah.
    W: Und das war Carl-​Heinz Reb­stock, der mich ge­be­ten hat, und eh, dass ich zu­rück­keh­ren möch­te, er hatte über­lebt. Und es waren Ver­bin­dun­gen von uns aus auch schon, ich war im Frei­en Deut­schen Kul­tur­bund or­ga­ni­siert, ...
    K: Mh.
    W: ... und da waren schon Ver­bin­dun­gen, Deut­sche wie­der eh, eh, Flücht­lin­ge wie­der nach Deutsch­land zu brin­gen. Warum? Um zu hel­fen.
    K: War es einer der ers­ten Mög­lich­kei­ten zu­rück­zu­keh­ren?
    W: Für mich war es die erste Mög­lich­keit. Es waren viel­leicht die ers­ten, die zu­rück­kehr­ten, mögen viel­leicht vier, fünf Mo­na­te vor­her.
    K: Mh.
    W: Vor­her nicht.
    K: Mh.
    W: Es war eine ge­wis­se Hem­mung, ...
    K: Mh.
    W: ... uns zu­rück zu las­sen, weil eh, bei uns waren ’ne ganze Reihe Kom­mu­nis­ten dabei.
    K: Mh.
    W: Und die eh, das Miss­trau­en der eng­li­schen Be­sat­zungs­be­hör­de, sol­che Leute zu­rück zu las­sen, war eben da.
    K: Mh.
    W: Nicht, das ist uns völ­lig klar. Aber es ist dann durch die An­trä­ge von Freun­den, ist es dann ge­sche­hen, nä.
    K: Mh. Also Sie woll­ten, sie woll­ten grade be­schrei­ben, ich hab’ Sie un­ter­bro­chen, es tut mir leid, eh, die Frau­en, wie re­agier­ten die Frau­en, als Sie weg­gin­gen?
    [] Raus­ge­kürzt: Über die Ar­beit in der Draht­we­be­rei (Wire Wea­very), wo auch viele Frau­en ge­ar­bei­tet haben.
    W: Ja. Also eh, die haben dann zu mir ge­sagt, als sie hör­ten, dass ich mich im, im, ich hab’ mich ja sehr früh ge­mel­det, An­fang Sep-, An­fang eh, An­fang 46 habe ich mich, ...
    K: Mh.
    W: ... 45 habe ich mich schon ge­mel­det, An­fang 46, glau­be ich, und da, als sie das hör­ten, haben die ge­sagt, haben die mit mir ge­schimpft. Haben dann ge­sagt: „Hör mal zu, du bist ja wahn­sin­nig. Du hast ’ne Frau, du hast ein Kind, du kannst doch in die Zu-, weißt du, was für Zu­stän­de da drü­ben sind? Du kannst da doch nicht hin­ge­hen. Das darfst du nicht ma­chen.“ Alle Frau­en.
    K: Mh.
    W: Und eine ganze Reihe von Män­nern: „Kurt, when are you going home?“
    K: Mh, mh. FW: Na, es war der Ar­beits­platz, nicht.
    K: Ja, ja ja.
    W: Ist in­ter­es­sant, nicht.
    K: Mh.
    W: Bei den Frau­en spielt diese per­sön­li­che, die­ses Ein­füh­lungs­ver­mö­gen in ...
    K: Mh.
    W: ... Fa­mi­li­en­sor­gen …
    K: Die Män­ner haben Sie als Kon­kur­ren­ten auch emp­fun­den.
    W: Ja. Aber die Frau­en nicht.
    K: Mh.
    W: Ist in­ter­es­sant, nicht. Keine ein­zi­ge Frau. Die haben also mich gra­de­zu über­fal­len. Und dann, also ich sie wie­der be­such­te nach 10 Jah­ren, das war so wun­der­bar. Bin ich wie­der, habe ich eine sen­ti­men­tal jour­ney ge­macht. Da war ich dann schon im Schul­dienst.
    K: Mh.
    W: Konn­te ich das. Und das war dann auch so merk­wür­dig: Die Män­ner waren viel zu­rück­hal­ten­der und so. Ich sag’ nichts gegen sie, sie waren auch nett und so. Die Frau­en, die haben da an­ge­fan­gen, (lacht leicht) ein Thea­ter auf­zu­füh­ren, nicht. Ich sag’ immer so (W. in ge­ho­be­ner Stim­mung): „Blody Kurt“ und dann haben sie da so, nicht. Also das werde ich nie ver­ges­sen, nicht.
    K: Mh.
    W: Also das waren sol­che Freund­schaft, nicht. Darum würde ich sagen, ich bin Eng­land un­heim­lich dank­bar, ...
    K: Mh.
    W: ... für das, was sie für mich getan haben.
    K: Mh.
    W: Also mich ge­ret­tet und meine Fa­mi­lie auch.
    [] Raus­ge­kürzt: Über die be­ruf­li­che Tä­tig­keit in Eng­land
    W: Das ein­zi­ge, was ich po­li­tisch noch sagen will, wir waren or­ga­ni­siert mit Flücht­lin­gen ...
    K: Mh.
    W: ... zu­sam­men im Frei­en Deut­schen Kul­tur­bund, der also ...
    K: Was muss ich dar­un­ter ver­ste­hen?
    W: Ja, also das sind Men­schen, die eh, die Wi­der­stand, im Grun­de den Ge­dan­ken des Wi­der­stan­des, der in Deutsch­land ge­führt war, eh, im Aus­land fort­setzt zu­guns­ten der deut­schen An­ti­fa­schis­ten und nie die Ver­bin­dung zum deut­schen An­ti­fa­schis­mus ab­bre­chen woll­te, und je näher das Ende Hit­lers her­an­kam, die Be­reit­schaft vor­be­rei­te­te, zu mög­lichst frü­her Zeit wie­der nach Deutsch­land zu An­ti­fa­schis­ten zurück-​, es waren aus­ge­spro­che­ne An­ti­fa­schis­ten, zu­rück­zu­ge­hen, um in Deutsch­land an­ti­fa­schis­tisch wir­ken zu kön­nen.

    Aus­schnitt 4a, 08:14-16:04, Dauer: 07:58

    K: Jetzt ge­stat­ten Sie mir eine Frage: Es ist ja un­ge­wöhn­lich als Jude zu­rück­zu­keh­ren.
    W: Ja.
    K: Was waren Ihre Trieb­kräf­te?
    W: Das war meine ...
    K: Mh.
    W: ... ei­gent­lich eine Ver­pflich­tung ge­wach­sen. Eh, die rühr­te wohl doch schon aus der Zeit, wo ich mich ent­schlos­sen hatte, in den Wi­der­stand zu gehen. Das war ’ne Kon­ti­nui­tät.
    K: Mh.
    W: Also, dann kam dahin dazu, also jetzt an Ort und Stel­le zu­sam­men: Nie wie­der. Wenn ich schon über­lebt hab’, zu­sam­men, ge­mein­sam so ar­bei­ten, dass die nie wie­der ’ne Chan­ce haben.
    K: Mh.
    W: Op­ti­mis­tisch. Sehr op­ti­mis­tisch.
    K: Mh, mh.
    K: Und eh, das Ge­fühl jetzt als, als Jude zu­rück­zu­keh­ren, wo eh, ...
    W: Ja.
    K: ein Groß­teil ...
    W: Ja.
    K: ... der deut­schen Juden halt ...
    W: Ja, ja.
    K: ... er­mor­det wor­den ist.
    W: Weil ich, ich dach­te, sehen Sie, Sie er­in­nern viel­leicht meine Aus­sa­ge in dem Taxi.
    K: Mh. Ja, ich weiß.
    W: Da ist eine gemein-​ ... Ich bin ein sehr über­zeug­ter Jude, was die Ge­schich­te an­be­langt. Des Jü­di­schen. Und ich sah mich ver­pflich­tet als Jude, an Ort und Stel­le, hier an Ort und Stel­le mit­zu­ar­bei­ten, dass die nie wie­der eine Chan­ce krie­gen.
    K: Mh.
    W: Und dass das eh, weil ich glaub­te, durch meine Ver­bin­dun­gen, die ich hatte, schon aus dem Wi­der­stand und der Emi­gra­ti­on und wie­der neu, dass ich sagte, dass es auch für uns not­wen­dig ist, ein­zel­ne, die über­lebt haben, wenn sie in diese Freundes-​ und diese Grup­pe, diese Kampf­grup­pe ein­ge­sperrt ... Ich will da mal ruhig sagen Kampf­grup­pe. Nicht mit Waf­fen. Eine Kampf­grup­pe gegen den Fa­schis­mus.
    K: Mh.
    W: Hier.
    K: Mh.
    W: An Ort und Stel­le. Und auch gegen die Re­ak­ti­on.
    K: Mh.
    W: Auch gegen die Re­ak­ti­on. Und die Re­ak­ti­on war da.
    K: In­wie­fern?
    W: Kam sehr schnell, ma- ...
    K: In­wie­fern?
    W: ... mas­siv her­aus.
    K: In­wie­fern? Wir sind jetzt Juni ’46, Sie kom­men zu­rück.
    W: Ja. Zu­nächst alles bes­tens. Wir sit­zen zu­sam­men, wir tref­fen uns mit So­zi­al­de­mo­kra­ten, jun­gen, und so wei­ter, nicht. Ich bin da­mals in der Par­tei.
    K: In der KPD?
    W: In der KPD. Und eh, ...
    K: Wo haben Sie dann ge­wohnt hier in Hamburg-​Ep­pen­dorf?
    W: Wo habe ich ge­wohnt? In Flott­bek hab’ ich ein Quar­tier be­kom­men, weil ich Ver­wand­te, meine Frau hatte Ver­wand­te da, nä.
    K: Mh.
    W: Und eh, ich hatte auch die Hoff­nung da­mals, dass wir so, wie ich das sagte, von dem Kreis­au­er Kreis bis zu den Kom­mu­nis­ten eine de­mo­kra­tisch, so­zi­al aus­ge­rich­te­te, die Front, die das nie wie­der hoch­kom­men lässt, für ewig nicht. Und ich hatte die Ver­pflich­tung ge­se­hen als Über­le­ben­der. Ich k-, konn­te ein­fach nicht, ich hatte das Ge­fühl, ich konn­te da in Eng­land nicht blei­ben, wäh­rend die an­dern zu­rück­ge­hen eh, die Freun­de, und hier mit­ar­bei­ten und ... Ist mir sehr, sehr schwer­ge­fal­len. Das muss ich sagen. Die haben mich ge­fragt: „Na, Wolf, freust du dich nicht“, haben die Freun­de ge­fragt, „daß du jetzt zu­rück nach Deutsch­land gehst?“
    K: Mh.
    W: Wis­sen Sie, was ich ge­ant­wor­tet hab’? „Ich k-, gehe nach Deutsch­land zu­rück, als ob ich in den an­ti­fa­schis­ti­schen Kampf wie in Spa­ni­en stehe. Ist für mich eine Art Spa­ni­en.“ So, so unten war ich.
    K: Mh.
    W: Mit kei­nem Mo­ment der Freu­de. Über­haupt nicht! Kei­ner­lei Be­zie­hung. Nur meine an­ti­fa­schis­ti­schen Freun­de. Und die hab’ ich na­tür­lich auch hier sehr schnell ge­fun­den, nä.
    K: Mh. Wer waren das, diese Män­ner oder Frau­en …
    W: Das waren ...
    K: ... die­ser ers­ten Stun­den?
    W: ... über­le­ben­de Wi­der­stands­kämp­fer.
    K: Mh.
    W: So­fort. Vor allen Din­gen der Ver­folg­ten des Na­zi­re­gimes. Ko­mi­tee ehe­ma­li­ger po­li­ti­scher Ge­fan­ge­ner.
    K: Mh.
    W: Die mich so­fort also, hab’ ich eine Zeit­lang an der Jü­di­schen Ge­mein­de ge­ar­bei­tet.
    K: Mh. Apro­pos, Sie haben ja Ihren, bei der Jü­di­schen Ge­mein­de ge­ar­bei­tet. Sind Ihnen da Schick­sa­le be­geg­net, und haben Sie Ge­schich­ten dann auch er­zählt be­kom­men?
    W: Ich habe nur noch zu tun ge­habt mit Men­schen, die von ihren christ­li­chen Frau­en ge­ret­tet wur­den. Alle an­dern waren ver­nich­tet.
    K: Mh. Also Sie haben ...
    W: Nur, in der Jü­di­schen Ge­mein­de haben nur Leute mit­ge­ar­bei­tet, ...
    K: Mh.
    W: ... die da­durch am Leben, dass sie christ­li­che Frau­en hat­ten. Nur sol­che. Ich habe kei­nen wie­der ge­trof­fen, wo eine jü­di­sche Ehe war.
    K: Mh. Also Sie haben auch keine ehe­ma­li­ge KZ-​Opfer dann, also kaum ... FW: Mh.
    K: Kann ich kaum glau­ben. Es gab ja ... FW: Mh, ja, ja.
    W: Doch es sind ei­ni­ge zu­rück­ge­kom­men, die über­lebt haben. Zum Bei­spiel Dr. Löff­ler, der hier im Senat sehr hohe Stel­lung hatte. Der in, in The­re­si­en­stadt, ja, der in The­re­si­en­stadt war.
    K: Mh.
    W: Von da zu­rück­ge­kom­men ist. Ja, wir haben ja, haben ja ei­ni­ge we­ni­ge über­lebt.
    K: Mh. Ich mein’, haben Sie da dann auch ka­ri­ta­ti­ve Diens­te ge­leis­tet, oder die kamen ja hoch­t­rau­ma­ti­siert zu­rück zum Teil?
    W: Ja, na­tür­lich. Eh, wir haben, haben da zu­sam­men ge­wirkt, und es war ’ne ganz schwie­ri­ge Si­tua­ti­on. Ich hab’ erst ge­ar­bei­tet bei dem Ko­mi­tee ehe­ma­li­ger po­li­ti­scher Ge­fan­ge­ner, und dann bin ich, weil der Lei­ter der Jü­di­schen Ge­mein­de mich von frü­her, von der Ju­gend­be­we­gung kann­te, bat er mich, ob ich ihm, bei ihm mit ar­bei­ten würde, und dann habe ich das ge­macht.
    K: Wer, wer da­mals der Lei­ter?
    W: Gold­stein hieß er, nä.
    K: Mh.
    W: ’ne Zeit­lang, und dann hab’ ich an­ge­fan­gen, zu stu­die­ren, nä.
    K: Mh. Mh.
    W: Das war für mich auch das rich­tigs­te. Konn­te ich wie­der, konn­te so­fort rein.
    K: Mh.
    W: Ich hatte mein Ab­itur­zeug­nis ...
    K: Ja.
    W: ... von ’33 in der Ta­sche.
    K: Mh.
    W: Haben mich so­fort an­ge­nom­men. Und dann be­gann es ei­gent­lich auf­wärts zu gehen. Man kam mit jun­gen Leu­ten zu­sam­men, mit ver­nünf­ti­gen, die nie wie­der ... „Ohne mich“, war die Be­we­gung da.
    K: Mh.
    W: Das war sehr sch-, schnell, also den Krieg so satt und ...
    K: Mh.
    W: ... da­durch ... Das war ’ne güns­ti­ge Si­tua­ti­on für mich, nä.
    K: Mh.
    W: Also ich muss sagen, hab’ ich dir auch er­zählt, ich habe in Deutsch­land unter An­ti­se­mi­tis­mus wenig zu lei­den ge­habt.
    K: Mh.
    W: Im Nach­kriegs­deutsch­land.
    K: Mh. Und es war für Sie auch kein Pro­blem, also eh, das psy­chisch jetzt zu ver­ar­bei­ten? Das sind: Ich bin einer der we­ni­gen Über­le­ben­den. Und ich bin jetzt in Ham­burg.
    W: Das war [un­le­ser­li­ches Ma­te­ri­al], ich bin da krank ge­wor­den na­tür­lich.
    K: Ja, ich wollt’ [un­le­ser­li­ches Ma­te­ri­al] ...
    W: Das hängt damit zu­sam­men.
    K: Sie müs­sen wis­sen, ob ...
    W: Ist klar, nicht. Also die ... [un­le­ser­li­ches Ma­te­ri­al]
    W: Ja ja, ...
    W: die Ärz­tin dann in, ...
    W: ... die Ärz­tin in Bergen-​Belsen, wo die, wo ich hin zur Pfle­ge kam, die hat ge­sagt: „Bei Ihnen ist das psy­cho­so­ma­tisch.“
    K: Mh.
    W: Also, dass man dann an­fäl­li­ger wird und so. Si­cher­lich.
    K: Mh.
    W: Also es war sehr pro­ble­ma­tisch.
    K: Also es war ’46 / ’47 oder spä­ter?
    W: Ja, war ’46. Ich bin ’46 zu­rück­ge­kom­men.
    K: Mh. ’47 im Herbst mit Stu­di­um be­gon­nen, und ’48 wurde ich, ’47 im H-, Win­ter wurde ich schwer krank.
    K: Mh.
    W: Und da kam ich dann mit Hilfe der jü­di­schen Or­ga­ni­sa­ti­on nach Bergen-​Belsen, wo SS-​Ärzte pfle­gen muss­ten, nicht, also Schwer­kran­ke.
    K: Mh.
    W: Da kam ich na­tür­lich mit Op­fern, nur mit Op­fern zu­sam­men.
    K: Mh.
    W: Nä. Wie ich da noch in Bergen-​Belsen, ich habe noch ver­sucht zu ver­mei­den die Stel­len, wo, war am Rande, wo die f-, Sie wis­sen in Bergen-​Belsen gibt es grau­en­haf­te Stel­len, ...
    K: Mh.
    W: ... wo die Men­schen ge­fun­den wur­den, ...
    K: Mh.
    W: ... als die Eng­län­der das Ge­biet be­setz­ten, nicht.
    K: Mh.
    W: Was sich da ab­ge­spielt hat. Die letz­ten Läger, nicht.
    K: Mh.
    W: Da haben Sie ge­hört davon?
    K: Jaja.
    W: All die Dinge hab’ ich mit­er­lebt. Und, aber ich bereu’ es über­haupt nicht. Es war schwie­rig, aber ich hab’ ja so, ich muss ja so dank­bar sein, dass ich, ich mein’, ich hab’ Ihnen ja mein Schick­sal ge­schil­dert, so dank­bar sein, wie ich da­von­ge­kom­men bin. Und wenn ich ’ne Ver­pflich­tung im Jahre 1934 spür­te, etwas gegen die Nazis zu tun, ...
    K: Mh.
    W: ... dann muss ich doch wei­ter­füh­ren.
    K: Mh.
    W: Nicht nur gegen die Nazis, son­dern viel­leicht auch im po­si­ti­ven Sinne.
    K: Mh. Mh.
    []

    Quellenbeschreibung

    Kurt van der Walde wurde am 20.1.1915 in Posen ge­bo­ren, wuchs je­doch mehr­heit­lich in Hamburg-​Ep­pen­dorf auf, wo sein Vater im Me­tall­han­del tätig war. Kurt van der Walde ab­sol­vier­te nach sei­nem Ab­itur am Heinrich-​Hertz-Realgymnasium eine kauf­män­ni­sche Lehre in einer Tex­til­fir­ma. In sei­ner Frei­zeit war er in di­ver­sen lin­ken (nicht-​zionistischen) Ju­gend­grup­pie­run­gen aktiv, unter an­de­rem in der so­zia­lis­ti­schen Re­vo­lu­tio­nä­ren Ju­gend­be­we­gung. 1936 wurde er ver­haf­tet und wegen „Vor­be­rei­tung zum Hoch­ver­rat“ ver­ur­teilt. Nach­dem er 1938 aus der Haft ent­las­sen wurde, emi­grier­te er nach Eng­land, wo er in Man­ches­ter im in­dus­tri­el­len Sek­tor (etwa einer Draht­we­be­rei) ar­bei­te­te. Er hei­ra­te­te eine Exil-​Hamburgerin und bekam mit ihr eine Toch­ter. Im No­vem­ber 1946 kehr­te Kurt van der Walde nach Ham­burg zu­rück, weil er sich po­li­tisch gegen re­ak­tio­nä­re Ten­den­zen im Nach­kriegs­deutsch­land en­ga­gier­ten woll­te. Er ge­hör­te dem Frei­en Deut­schen Kul­tur­bund, spä­ter – bis zu deren Ver­bot 1956 – der Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei an. Zudem war er im Ko­mi­tee ehe­ma­li­ger po­li­ti­scher Ge­fan­ge­ner und in der Jü­di­schen Ge­mein­de aktiv und en­ga­gier­te sich als Zeit­zeu­ge für die Ver­ei­ni­gung der Ver­folg­ten des Na­zi­re­gimes (VVN). Be­ruf­lich war er – nach einem Stu­di­um der Ge­schich­te und Eng­lisch – als Leh­rer tätig. Nach dem Tod sei­ner ers­ten Ehe­frau hei­ra­te­te er er­neut. 2003 ver­starb Kurt van der Walde in Hamburg-​Ep­pen­dorf.

    Empfohlene Zitation

    Interview mit Kurt van der Walde, geführt von Alfons Kenkmann, am 9. und 30.5.1994, FZH / WdE 251., veröffentlicht in: Hamburger Schlüsseldokumente zur deutsch-jüdischen Geschichte, <https://schluesseldokumente.net/quelle/jgo:source-272> [12.07.2025].