Der Fall Siegfried Landshut. „Wiedergutmachung” an der Universität Hamburg

Dennis Hormuth

Quellenbeschreibung

Der Fall von Sieg­fried Lands­hut, einer der maß­geb­li­chen Be­grün­der der deut­schen Po­li­tik­wis­sen­schaft nach dem Krieg, der sich seit Ende der 1940er-​Jahre um seine Wie­der­an­stel­lung an der Uni­ver­si­tät Ham­burg be­müh­te, war eine Aus­nah­me, da in sei­nem Fall das lang­wie­ri­ge und er­neut be­las­ten­de Ver­fah­ren zur Wie­der­ein­stel­lung schluss­end­lich Er­folg hatte.

  • Dennis Hormuth

Schreiben von Siegfried Landshut an Heinrich Landahl, 29.8.1948


Das Schrei­ben von Sieg­fried Lands­hut an den auch für die Uni­ver­si­tät Ham­burg po­li­tisch ver­ant­wort­li­chen Ham­bur­ger Schul­se­na­tor Hein­rich Land­ahl kann als ver­klau­su­lier­tes Be­wer­bungs­schrei­ben ver­stan­den wer­den. Nach einem kur­zen Hin­weis auf die per­sön­li­che Be­kannt­schaft zwi­schen Brie­fe­schrei­ber und -​adressat schil­dert Lands­hut seine ak­tu­el­le Ver­füg­bar­keit auf dem Ar­beits­markt, die ver­fol­gungs­be­ding­ten Grün­de für seine Nicht-​Habilitation 1933, seine wis­sen­schaft­li­che Grund­aus­rich­tung nebst den wich­tigs­ten Wer­ken aus sei­nem Œuvre und nennt Re­fe­renz­per­so­nen.

Zum Zeit­punkt der Ab­fas­sung des Brie­fes be­en­de­te Lands­hut ge­ra­de seine Ar­beit mit den deut­schen Kriegs­ge­fan­ge­nen in Ägyp­ten und be­fand sich kurz vor sei­ner Ab­rei­se nach Eng­land, für das er eine neue Kor­re­spon­denz­adres­se in dem Brief angab. Das Schrei­ben stammt daher aus einer Zeit des be­ruf­li­chen Um­bruchs und der be­ruf­li­chen Per­spek­tiv­lo­sig­keit.

Den Kern des Schrei­bens macht seine Selbst­vor­stel­lung als Wis­sen­schaft­ler aus. Der auf einen Wie­der­gut­ma­chungs­an­spruch hin­wei­sen­de Teil fällt sehr kurz aus und wird nicht ein­mal ex­pli­zit ge­nannt. Die­ser Teil­satz, nach dem Lands­huts Ha­bi­li­ta­ti­on „1933 durch die po­li­ti­schen Er­eig­nis­se un­ter­bro­chen“ wor­den sei, wurde vom Ham­bur­ger Schul­se­na­tor oder einer an­de­ren Per­son aus der Ham­bur­ger Schul­ver­wal­tung al­ler­dings rot un­ter­stri­chen und so als be­son­ders be­deu­tungs­voll mar­kiert. Diese Aus­sa­ge mach­te ein Ver­wal­tungs­han­deln im Sinne Lands­huts not­wen­dig.

Berufungsvorschlag für die Besetzung des Lehrstuhls für Soziologie vom 16.2.1951


Das Recht zum Vor­schlag zur Be­set­zung einer or­dent­li­chen Pro­fes­sur lag an der Uni­ver­si­tät Ham­burg in den Hän­den der je­wei­li­gen Fa­kul­tät, sie reich­te in der Regel eine Dreier-​Liste über das Rek­to­rat der Hoch­schu­le an die Schul­be­hör­de ein. Bei die­sem Do­ku­men­ten­typ han­delt es sich um eine Lau­da­tio auf das wis­sen­schaft­li­che Werk des zu Be­ru­fen­den bzw. der drei vor­ge­schla­ge­nen Per­so­nen für die Be­ru­fung. Im hier vor­lie­gen­den Do­ku­ment wird Sieg­fried Lands­hutfür die Stel­lung eines or­dent­li­chen Pro­fes­sors für So­zio­lo­gie vor­ge­schla­gen. Kern der Lau­da­tio sind vier Sei­ten Wür­di­gung des wis­sen­schaft­li­chen Œuvres Lands­huts. Auf der ers­ten Seite des Schrei­bens wird dar­auf hin­ge­wie­sen, dass seine Ein­stel­lung einen „Akt der Wie­der­gut­ma­chung“ dar­stel­len würde, ein ver­wal­tungs­recht­lich be­deut­sa­mer Hin­weis. Al­ler­dings wird auf der­sel­ben Seite ver­merkt, dass man Lands­hut al­lei­ne und ohne die Nen­nung wei­te­rer Kan­di­da­ten vor­schla­ge, da nach der Ab­sa­ge von Pro­fes­sor [Ger­hard] Ma­cken­roth aus Kiel sich be­reits eine Liste zer­schla­gen habe und nun die Zeit drän­ge. Es stellt sich die Frage nach der Wer­tig­keit des Ar­gu­ments „Wie­der­gut­ma­chung“ an­ge­sichts der Tat­sa­che, dass der Lands­hut ei­gent­li­che vor­ge­zo­ge­ne Ma­cken­roth Mit­glied von NSdAP und SA war.

Personalbogen von Siegfried Landshut, Schulbehörde, Hochschulabteilung, Hansestadt Hamburg, 21.2.1951


>Für jede An­ge­stell­te und jeden An­ge­stell­ten sowie für alle Be­am­ten im öf­fent­li­chen Dienst wur­den bei Ein­stel­lung Per­so­nal­bö­gen an­ge­legt. Der erste Teil auf den Sei­ten 1-3 be­inhal­tet An­ga­ben zu per­sön­li­chen Kern­da­ten und wurde von den be­tref­fen­den Per­so­nen sel­ber aus­ge­füllt und un­ter­zeich­net. Sieg­fried Lands­hut füll­te sei­nen Bogen am 21.2.1951 aus. Zu die­sem Zeit­punkt hatte er noch keine Woh­nung, die Zei­len zur Adress­an­ga­be sind leer. Es wurde le­dig­lich eine Te­le­fon­num­mer hand­schrift­lich nach­ge­tra­gen. Die An­ga­be zu sei­ner Ha­bi­li­ta­ti­on als „Be­stan­de­ne Prü­fung“ wurde von der Ver­wal­tung wie­der durch­ge­stri­chen, denn auf­grund der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ver­fol­gung war die Prü­fung nicht durch­ge­führt wor­den. Lands­hut gab an, von 1940 bis 1948 als “Head of Sec­tion Brit(ish) For­eign Of­fice” tätig ge­we­sen zu sein. In die­ser Zeit war er in Ägyp­ten für die po­li­ti­sche Er­zie­hung der deut­schen Kriegs­ge­fan­ge­nen des Afri­ka­korps und in Nah­ost zu­stän­dig.
Die wei­te­ren An­ga­ben auf Seite 4 wur­den nach der Ein­stel­lung durch die Be­hör­de aus­ge­füllt und rei­chen bis zur Eme­ri­tie­rung Lands­huts am 31.3.1964.

Fragebogen zu Mitgliedschaften in NS-Organisationen, ausgefüllt von Siegfried Landshut am 21.2.1951


Für jede An­ge­stell­te und jeden An­ge­stell­ten sowie für alle Be­am­ten im öf­fent­li­chen Dienst wur­den bei Ein­stel­lung Per­so­nal­bö­gen an­ge­legt. Der erste Teil auf den Sei­ten 1-3 be­inhal­tet An­ga­ben zu per­sön­li­chen Kern­da­ten und wurde von den be­tref­fen­den Per­so­nen sel­ber aus­ge­füllt und un­ter­zeich­net. Sieg­fried Lands­hut füll­te sei­nen Bogen am 21.2.1951 aus. Zu die­sem Zeit­punkt hatte er noch keine Woh­nung, die Zei­len zur Adress­an­ga­be sind leer. Es wurde le­dig­lich eine Te­le­fon­num­mer hand­schrift­lich nach­ge­tra­gen. Die An­ga­be zu sei­ner Ha­bi­li­ta­ti­on als „Be­stan­de­ne Prü­fung“ wurde von der Ver­wal­tung wie­der durch­ge­stri­chen, denn auf­grund der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ver­fol­gung war die Prü­fung nicht durch­ge­führt wor­den. Lands­hut gab an, von 1940 bis 1948 als “Head of Sec­tion Brit(ish) For­eign Of­fice” tätig ge­we­sen zu sein. In die­ser Zeit war er in Ägyp­ten für die po­li­ti­sche Er­zie­hung der deut­schen Kriegs­ge­fan­ge­nen des Afri­ka­korps und in Nah­ost zu­stän­dig.
Die wei­te­ren An­ga­ben auf Seite 4 wur­den nach der Ein­stel­lung durch die Be­hör­de aus­ge­füllt und rei­chen bis zur Eme­ri­tie­rung Lands­huts am 31.3.1964.

Schreiben von Oberregierungsrat Dr. Baring an das Amt für Wiedergutmachung, Sozialbehörde Hamburg, Hamburg, 24.2.1954


Den­je­ni­gen, die in der Zeit des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus aus ras­si­schen Grün­den ver­folgt und da­durch in ihrem be­ruf­li­chen Fort­kom­men be­hin­dert wor­den waren, stan­den fi­nan­zi­el­le Ent­schä­di­gun­gen für ent­gan­ge­ne Ge­halts­zah­lun­gen aus An­stel­lun­gen im öf­fent­li­chen Dienst zu. Diese wur­den auf An­trag des Ge­schä­dig­ten im Zuge des Wie­der­gut­ma­chungs­ver­fah­rens von den zu­stän­di­gen Personal-​ bzw. Lohn- und Ge­halts­ab­tei­lun­gen be­rech­net. Bei Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­lern, die sich zu Be­ginn der Ver­fol­gun­gen noch in einer Kar­rie­re­stu­fe un­ter­halb einer le­bens­zeit­li­chen Pro­fes­sur be­fan­den, muss­ten die Fach­be­rei­che zuvor be­ur­tei­len, ob und wel­che Kar­rie­re die be­trof­fe­ne Per­son ohne die Ver­fol­gung ver­mut­lich ge­macht hätte. Da Sieg­fried Lands­hut zum Zeit­punkt sei­nes An­trags or­dent­li­cher Pro­fes­sor an der Uni­ver­si­tät Ham­burg war, konn­te für ihn eine ide­al­ty­pi­sche Kar­rie­re an­ge­nom­men wer­den, die auf Seite 1 be­schrie­ben wird. Auf Seite 2 wer­den die an­zu­rech­nen­den und ab­zu­zie­hen­den Zei­ten auf­ge­führt. Die An­la­ge zum Schrei­ben be­inhal­tet die kon­kre­te zah­len­mä­ßi­ge Be­rech­nung der ent­gan­ge­nen Zah­lun­gen.

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Zitationsempfehlung und Lizenzhinweis

Dennis Hormuth, Der Fall Siegfried Landshut. „Wiedergutmachung” an der Universität Hamburg, in: Hamburger Schlüsseldokumente zur deutsch-jüdischen Geschichte. <https://schluesseldokumente.net/beitrag/jgo:article-297> [16.05.2025].

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