Der Fall von Siegfried Landshut, einer der maßgeblichen Begründer der deutschen Politikwissenschaft nach dem Krieg, der sich seit Ende der 1940er-Jahre um seine Wiederanstellung an der Universität Hamburg bemühte, war eine Ausnahme, da in seinem Fall das langwierige und erneut belastende Verfahren zur Wiedereinstellung schlussendlich Erfolg hatte.
Das Schreiben von Siegfried Landshut an den auch für die Universität Hamburg politisch verantwortlichen Hamburger Schulsenator Heinrich Landahl kann als verklausuliertes Bewerbungsschreiben verstanden werden. Nach einem kurzen Hinweis auf die persönliche Bekanntschaft zwischen Briefeschreiber und -adressat schildert Landshut seine aktuelle Verfügbarkeit auf dem Arbeitsmarkt, die verfolgungsbedingten Gründe für seine Nicht-Habilitation 1933, seine wissenschaftliche Grundausrichtung nebst den wichtigsten Werken aus seinem Œuvre und nennt Referenzpersonen.
Zum Zeitpunkt der Abfassung des Briefes beendete Landshut gerade seine Arbeit mit den deutschen Kriegsgefangenen in Ägypten und befand sich kurz vor seiner Abreise nach England, für das er eine neue Korrespondenzadresse in dem Brief angab. Das Schreiben stammt daher aus einer Zeit des beruflichen Umbruchs und der beruflichen Perspektivlosigkeit.
Den Kern des Schreibens macht seine Selbstvorstellung als Wissenschaftler aus. Der auf einen Wiedergutmachungsanspruch hinweisende Teil fällt sehr kurz aus und wird nicht einmal explizit genannt. Dieser Teilsatz, nach dem Landshuts Habilitation „1933 durch die politischen Ereignisse unterbrochen“ worden sei, wurde vom Hamburger Schulsenator oder einer anderen Person aus der Hamburger Schulverwaltung allerdings rot unterstrichen und so als besonders bedeutungsvoll markiert. Diese Aussage machte ein Verwaltungshandeln im Sinne Landshuts notwendig.
Das Recht zum Vorschlag zur Besetzung einer ordentlichen Professur lag an der Universität Hamburg in den Händen der jeweiligen Fakultät, sie reichte in der Regel eine Dreier-Liste über das Rektorat der Hochschule an die Schulbehörde ein. Bei diesem Dokumententyp handelt es sich um eine Laudatio auf das wissenschaftliche Werk des zu Berufenden bzw. der drei vorgeschlagenen Personen für die Berufung. Im hier vorliegenden Dokument wird Siegfried Landshutfür die Stellung eines ordentlichen Professors für Soziologie vorgeschlagen. Kern der Laudatio sind vier Seiten Würdigung des wissenschaftlichen Œuvres Landshuts. Auf der ersten Seite des Schreibens wird darauf hingewiesen, dass seine Einstellung einen „Akt der Wiedergutmachung“ darstellen würde, ein verwaltungsrechtlich bedeutsamer Hinweis. Allerdings wird auf derselben Seite vermerkt, dass man Landshut alleine und ohne die Nennung weiterer Kandidaten vorschlage, da nach der Absage von Professor [Gerhard] Mackenroth aus Kiel sich bereits eine Liste zerschlagen habe und nun die Zeit dränge. Es stellt sich die Frage nach der Wertigkeit des Arguments „Wiedergutmachung“ angesichts der Tatsache, dass der Landshut eigentliche vorgezogene Mackenroth Mitglied von NSdAP und SA war.
>Für jede Angestellte und jeden
Angestellten sowie für alle Beamten
im öffentlichen Dienst wurden bei Einstellung Personalbögen angelegt. Der
erste Teil auf den Seiten 1-3 beinhaltet Angaben zu persönlichen Kerndaten und
wurde von den betreffenden Personen selber ausgefüllt und unterzeichnet.
Siegfried Landshut
füllte seinen Bogen am 21.2.1951 aus. Zu diesem
Zeitpunkt hatte er noch keine Wohnung, die Zeilen zur Adressangabe sind leer. Es
wurde lediglich eine Telefonnummer handschriftlich nachgetragen. Die Angabe zu
seiner Habilitation als „Bestandene Prüfung“ wurde von der Verwaltung
wieder durchgestrichen, denn aufgrund der nationalsozialistischen Verfolgung war
die Prüfung nicht durchgeführt worden.
Landshut gab an, von
1940 bis 1948 als
“Head of Section
Brit(ish) Foreign
Office” tätig gewesen zu sein. In dieser Zeit war er in
Ägypten für
die politische Erziehung der deutschen Kriegsgefangenen des
Afrikakorps und in
Nahost
zuständig.
Die weiteren Angaben auf Seite 4 wurden nach der Einstellung durch die
Behörde ausgefüllt und
reichen bis zur Emeritierung
Landshuts am
31.3.1964.
Für jede Angestellte und jeden
Angestellten sowie für alle Beamten
im öffentlichen Dienst wurden bei Einstellung Personalbögen angelegt. Der
erste Teil auf den Seiten 1-3 beinhaltet Angaben zu persönlichen Kerndaten und
wurde von den betreffenden Personen selber ausgefüllt und unterzeichnet.
Siegfried Landshut
füllte seinen Bogen am 21.2.1951 aus. Zu diesem
Zeitpunkt hatte er noch keine Wohnung, die Zeilen zur Adressangabe sind leer. Es
wurde lediglich eine Telefonnummer handschriftlich nachgetragen. Die Angabe zu
seiner Habilitation als „Bestandene Prüfung“ wurde von der Verwaltung
wieder durchgestrichen, denn aufgrund der nationalsozialistischen Verfolgung war
die Prüfung nicht durchgeführt worden.
Landshut gab an, von
1940 bis 1948 als
“Head of Section
Brit(ish) Foreign
Office” tätig gewesen zu sein. In dieser Zeit war er in
Ägypten für
die politische Erziehung der deutschen Kriegsgefangenen des
Afrikakorps und in
Nahost
zuständig.
Die weiteren Angaben auf Seite 4 wurden nach der Einstellung durch die
Behörde ausgefüllt und
reichen bis zur Emeritierung
Landshuts am
31.3.1964.
Denjenigen, die in der Zeit des Nationalsozialismus aus rassischen Gründen verfolgt und dadurch in ihrem beruflichen Fortkommen behindert worden waren, standen finanzielle Entschädigungen für entgangene Gehaltszahlungen aus Anstellungen im öffentlichen Dienst zu. Diese wurden auf Antrag des Geschädigten im Zuge des Wiedergutmachungsverfahrens von den zuständigen Personal- bzw. Lohn- und Gehaltsabteilungen berechnet. Bei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich zu Beginn der Verfolgungen noch in einer Karrierestufe unterhalb einer lebenszeitlichen Professur befanden, mussten die Fachbereiche zuvor beurteilen, ob und welche Karriere die betroffene Person ohne die Verfolgung vermutlich gemacht hätte. Da Siegfried Landshut zum Zeitpunkt seines Antrags ordentlicher Professor an der Universität Hamburg war, konnte für ihn eine idealtypische Karriere angenommen werden, die auf Seite 1 beschrieben wird. Auf Seite 2 werden die anzurechnenden und abzuziehenden Zeiten aufgeführt. Die Anlage zum Schreiben beinhaltet die konkrete zahlenmäßige Berechnung der entgangenen Zahlungen.
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Dennis Hormuth, Der Fall Siegfried Landshut. „Wiedergutmachung” an der Universität Hamburg, in: Hamburger Schlüsseldokumente zur deutsch-jüdischen Geschichte. <https://schluesseldokumente.net/beitrag/jgo:article-297> [21.11.2024].