Jüdische Migration: Schauplatz Hamburg
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In unserer zweiten Online-Ausstellung im Rahmen der Schlüsseldokumente-Edition widmen wir uns dem Thema „Migration“. Hinter Bremen entwickelte sich Hamburg nach Ende der napoleonischen Kriege zu einem wichtigen Hafen für Millionen von Amerikamigranten aus dem deutschsprachigen Mitteleuropa. Von den rund 100.000 Juden, die zwischen 1820 und 1880 aus den deutschen Staaten nach Nordamerika auswanderten, schifften sich vor allem Juden aus der Provinz Posen in Hamburg ein. In den 1870er-Jahren verlagerte sich die Amerikawanderung aus Mitteleuropa und von den britischen Inseln nach Süd- und Osteuropa. Juden aus Osteuropa bildeten einen nennenswerten Anteil dieser transatlantischen Massenmigration. Zwischen 1880 und 1914 zogen über zwei Millionen Juden aus Ost- und Ostmitteleuropa vor allem in die Vereinigten Staaten. Mehr als die Hälfte der jüdischen Amerikamigranten aus Osteuropa trat die transatlantische Schiffsreise in Hamburg oder Bremen an.

Die Ausstellung zeichnet in ihren insgesamt sechs Stationen den Weg der Migranten nach, beginnend mit dem Aufbruch in der alten Welt über die Reise nach Hamburg als Auswandererhafen bis zur Ankunft in Ellis Island. Neben diesem thematisch-chronologisch verlaufenden Narrativ (vertikal) können die einzelnen „Reise-Stationen“ (horizontal) vertieft werden. Verfasser der Texte ist Tobias Brinkmann.

In der alten Welt: Werbung in Osteuropa

Die beiden führenden deutschen Schifffahrtslinien, HAPAG und Lloyd, erschlossen in den 1880er-Jahren erfolgreich den lukrativen osteuropäischen Passagiermarkt. Sie profitierten dabei von der günstigen Lage des Kaiserreichs, das Osteuropäer auf dem Weg zu den Nordseehäfen durchqueren mussten. […] Die Hamburger Cholera-Epidemie 1892 führte auch zu einer Neuorganisation der Transitwanderung aus Osteuropa. Die amerikanischen Behörden verlangten 1893 eine Desinfektion und mehrtägige Quarantäne aller russischen Migranten im europäischen Ausgangshafen. […] An den wichtigsten Bahnübergängen eröffneten HAPAG und Lloyd „Kontrollstationen“, in denen sich alle Durchwanderer einer Desinfektion und Inspektion nach den Bestimmungen der amerikanischen Einwanderungsgesetze unterziehen mussten. […] Das System der Kontrollstationen zementierte das Monopol der beiden deutschen Linien über den osteuropäischen Auswanderermarkt. (Quelle: Tobias Brinkmann, „Mit Ballin unterwegs – Erfahrungen eines russischen Auswanderers“)


Quellen: Anonymer Künstler, 1875, Hapag-Lloyd AG Archiv, Hamburg, PL 808.
Anonymer Künstler, ca. 1893, Hapag-Lloyd AG Archiv, Hamburg, PL 50.

Werbeplakate

Die attraktiven Werbeplakate der großen Schifffahrtslinien vermitteln keinen realistischen Eindruck vom Reisealltag während der Atlantiküberquerung. Die Adressaten der Plakate waren gutverdienende Geschäftsleute und Touristen, die in der opulenten ersten oder der sehr komfortablen zweiten Klasse reisten. Die überwiegende Mehrheit der einfachen Migranten verbrachten die Reise im Zwischendeck im Bauch der riesigen Ozeanschiffe. Die Zwischendeck-Passagiere wurden nach Geschlechtern getrennt in großen Schlafsälen untergebracht. In den 1890er-Jahren definierten die deutschen und amerikanischen Behörden Hygienestandards und setzten Obergrenzen für die Zahl von Personen fest, die in Schlafräumen untergebracht werden konnten. Die Schiffe wurden regelmäßig inspiziert. Jedem Passagier standen ein eigenes Bett und bestimmte Mahlzeiten zu. Während die Überfahrt vor allem für Kinder ein faszinierendes Erlebnis war, waren Frauen nicht selten sexuellen Übergriffen der Schiffsbesatzung ausgesetzt. In den stürmischen Wintermonaten klagten viele Passagiere über Seekrankheit. Nach 1900 dauerte die Reise von Hamburg nach New York nicht mehr als eine Woche.


Quelle: Jürgens & Bornemann, 1897/1900, Hapag-Lloyd AG Archiv, Hamburg, PL 42.

Albert Ballin

Albert Ballin wuchs in Hamburg in einfachen Verhältnissen als Sohn eines aus Dänemark eingewanderten jüdischen Ticketagenten auf. Er übernahm die Agentur des Vaters in den 1870er-Jahren. Mit einem englischen Partner baute er Anfang der 1880er-Jahre eine Billigschifffahrtslinie auf, die einen Direktservice von Hamburg nach New York anbot – mit großem Erfolg. Die HAPAG (Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft) schluckte den lästigen Konkurrenten im Jahr 1886. Als Teil der Fusion sicherte sich Ballin den Posten des Direktors der HAPAG-Passagierabteilung. Ballin richtete das Geschäft der HAPAG auf den Wachstumsmarkt in Osteuropa aus und handelte ein Kartell der führenden europäischen Schifffahrtslinien aus. 1899 wurde Ballin zum Generaldirektor der HAPAG ernannt. In diesem Jahr war die HAPAG die größte Schifffahrtslinie der Welt und expandierte weiter. Ballin legte Wert auf komfortable Unterbringung der einfachen Migranten. Die Zwischendeckpassage bildete neben der Frachtsparte das Kerngeschäft der HAPAG. Die HAPAG war vor dem Ersten Weltkrieg Hamburgs größter Arbeitgeber. Ballin hatte ein schwieriges Verhältnis zu den Gewerkschaften und war ein erklärter Gegner der Sozialdemokratie. Er war Mitglied der jüdischen Gemeinde in Hamburg, aber hielt Distanz zum jüdischen Leben.

Quelle: Albert Ballin auf der ersten Kreuzfahrt 1891, Zeichnung von C.W. Allers, gemeinfrei, commons.wikimedia.org/wiki/File:Albert_Ballin_1891,_von_C.W._Allers.jpg

Werbeanzeige HAPAG, Schnelldampferdienst

Die HAPAG und ihre Konkurrenten schalteten täglich kleine Anzeigen in verschiedenen Zeitungen in Deutschland, in den Vereinigten Staaten und vor allem in Osteuropa. Die Anzeigen informierten Leser über den Preis der Passage und über neue Routen. Die HAPAG verwies auf ihre Stellung als führende globale Schifffahrtslinie und auf ihre moderne Flotte. Die meisten Passagiere kauften Tickets von Agenten, die eng mit der HAPAG kooperierten. Die Tickets deckten die Schifffahrtspassage und in der Regel die Eisenbahnfahrt nach Hamburg ab.

Quelle: Zeitungsanzeige der Hapag, ca. 1895, Hapag-Lloyd AG Archiv.

Unterwegs: Die Reise nach Hamburg

Das starke Anwachsen der Migration aus Osteuropa nach Nordamerika um 1880 war eine Folge der wachsenden Nachfrage nach billigen Arbeitskräften. Die Ausdehnung des Eisenbahnnetzes in bis dahin kaum erschlossene Regionen Osteuropas ermöglichte Millionen von Menschen nach 1860 die Migration nach Westen. Viele migrierten innerhalb Osteuropas, vor allem in Industriezentren wie Warschau oder sie verdingten sich als saisonale Landarbeiter in Preußen. Nach 1880 zog eine stark wachsende Zahl von Osteuropäern nach Nordamerika. Sie reisten mit der Bahn über Berlin oder Leipzig in Hafenstädte wie Hamburg, Bremen oder Rotterdam. Die Eisenbahn und moderne Dampfschiffe verkürzten die Reise nach Übersee von mehreren Monaten auf einige Wochen. Die Bahnfahrt von den meisten Orten in Osteuropa nach Hamburg dauerte nicht mehr als zwei bis drei Tage. In den meisten Fällen brauchten Migranten aber eine gute Woche, weil sie die offiziellen Grenzkontrollen umgehen mussten. Im Gegensatz zu saisonalen Migranten mussten sich Auswanderer um eine offizielle Genehmigung bemühen. In Russland war es schwierig und teuer, einen Auswanderungspass zu beantragen. In Österreich-Ungarn wurden junge Männer, die sich der Militärpflicht entzogen, streng bestraft. Daher überquerten viele Auswanderer mit Hilfe von Schmugglern die deutsche Ostgrenze illegal. Die preußische Regierung tolerierte diese Praxis, weil sie nicht genug Personal hatte, um die Grenze wirksam zu kontrollieren. Nach 1893 errichteten die deutschen Schifffahrtsgesellschaften an der Grenze Kontrollstationen und organisierten die Weiterreise in die Häfen. Viele Migranten reisten nun in versiegelten „Auswandererzügen“ direkt bis zum jeweiligen Hafen. Nach 1900 nahm die Rückwanderung deutlich zu. Die meisten Rückkehrer waren nicht gescheitert, sondern arbeiteten für ein oder zwei Jahre in Amerika. Sie investierten ihren Lohn nach der Rückkehr in kleine Unternehmen.

„Mit Ballin unterwegs“

Am 10.12.1904 fiel dem leitenden Polizeikommissar in den Auswanderungshallen der Hamburg-Amerika-Linie (HAPAG) im Hafen, Wenzel Kilian Kiliszewski, ein gewisser „Jossl Kalischer“ auf. Scheinbar ein jüdischer Durchwanderer aus dem russländischen Reich entpuppte er sich als Redakteur der sozialdemokratischen Tageszeitung Vorwärts, Julius Kaliski. Zwischen dem 20.12.1904 und dem 10.1.1905 erschienen dann unter dem Titel „Mit Ballin Unterwegs“ sechs Artikel über Kaliskis Reise von der preußischen Grenze nahe Tilsit in Ostpreußen nach Hamburg. Um Einblick in die Behandlung osteuropäischer Migranten während des Transits durch Deutschland auf dem Weg in die USA zu erhalten, verkleidete sich Kaliski als einfacher jüdischer Migrant. Die Artikel dokumentieren die verschiedenen Stationen der Reise von der preußisch-russischen Grenze bis zu den HAPAG Auswandererhallen im Hamburger Hafen. Weiterlesen >

Mit freundlicher Genehmigung der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES).
Dieser Scan wurde im Rahmen des Digitalisierungsprojektes des "Vorwärts" angefertigt.
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Russische Waisenkinder

Zwischen 1903 und 1906 forderte eine Welle von Pogromen im Süden der heutigen Ukraine hunderte von jüdischen Opfern. Die russische Regierung war nicht in der Lage, die Gewalt wirksam einzudämmen. Der Hilfsverein entsandte Vertreter in die Region, um die Auswirkungen der Pogrome zu dokumentieren und den besonders bedürftigen Opfern zu helfen. Besondere Bedeutung hatten die „Pogromwaisen“, Kinder, die ihre Eltern verloren hatten. 1906 reiste die Wiener jüdische Frauenrechtlerin Bertha Pappenheim nach Russland, um eine Gruppe von Pogromwaisen nach Deutschland zu begleiten. Der Hilfsverein koordinierte die Adoption der Kinder in verschiedenen europäischen Ländern. In den folgenden Jahren organisierte der Hilfsverein weitere Transporte von Pogromwaisen. Einige der Kinder reisten auch über Hamburg.

Quelle: Fünfter Geschäftsbericht (1906) des Hilfsvereins der Deutschen Juden, Berlin 1907, S. 96 und 98 / Siebter Geschäftsbericht (1908) des Hilfsvereins der Deutschen Juden, Berlin 1909, S. 100.

Herberge des Hilfsvereins in Königsberg

In enger Zusammenarbeit mit verschiedenen jüdischen Gemeinden baute der Hilfsverein entlang der Hauptreiserouten ein engmaschiges Netzwerk von Herbergen und Unterkünften für jüdische Durchwanderer auf. Die zahlreichen Fotos in den Berichten des Hilfsvereins illustrieren, dass Geschlecht ein wichtiges Kriterium war. Männer und Frauen wurden getrennt untergebracht. Kinder übernachteten meistens mit ihrer Mutter. Die Fotos in den Jahresberichten sollten demonstrieren, dass der Hilfsverein sich um die Durchwanderer kümmerte. Es fällt auf, dass vor allem Kinder auf den Fotos zu sehen sind. Viele Juden wanderten im Familienverband aus, die Zahl von Kindern war hoch. Die Bilder von Kindern sollten potentielle Spender bewegen, den Hilfsverein zu unterstützen.

Quelle: Fünfter Geschäftsbericht (1906) des Hilfsvereins der Deutschen Juden, Berlin 1907, S. 86 und 138.

Die Herbergen des Hilfsvereins in Tilsit und Stettin

Die Bilder aus Tilsit, einer Grenzstadt im Norden von Ostpreußen, und aus der Hafenstadt Stettin in Pommern sollen illustrieren, dass es den Durchwanderer an nichts mangelte. Das Bild aus Tilsit zeigt vier Frauen in einer Herberge. Der Raum erinnert an eine bürgerliche Wohnung. Auf dem Tisch befinden sich eine Lampe, ein Laib Brot, eine Flasche Wasser, ein Becher und eine Menora. Noch eindeutiger ist das Bild aus Stettin. Eine Familie hat sich zum Beginn des Schabbat um den Tisch versammelt. Die Eltern sprechen die Gebete. Das Bild demonstriert, dass der Hilfsverein und die jüdischen Gemeinden die religiösen Bedürfnisse der Durchwanderer ernst nahmen. Der Hilfsverein versorgte jüdische Durchwanderer entlang der Hauptreiserouten mit koscherem Essen. Die Hilfstätigkeit basierte zum größten Teil auf Spenden. Die Bilder sollten die Leser der Berichte animieren, den Hilfsverein zu unterstützen. Denn ohne Spenden – das war die implizite Botschaft der teilweise bewegenden Bilder – wäre es nicht möglich gewesen, den speziellen Bedürfnissen jüdischer Durchwanderer Rechnung zu tragen.

Quelle: Fünfter Geschäftsbericht (1906) des Hilfsvereins der Deutschen Juden, Berlin 1907, S. 87 / Sechster Geschäftsbericht (1907) des Hilfsvereins der Deutschen Juden, Berlin 1908, S. 119.
Originalquelle: Boston Public Library, MS Am. 178, S. 26-29
Quelle, Transkript und Übersetzung >

Der Reisebericht von Mary Antin

Mary Antin (Maryasche Antin) aus dem weißrussischen Polotzk reiste 1894 mit ihrer Mutter und drei Geschwistern über Hamburg nach Boston, wohin der Vater vorausgefahren war. Unmittelbar nach ihrer Ankunft 1894 berichtete Mary Antin von ihrer Reise in einem Brief an den Onkel mütterlicherseits, Moshe Hayyim Weltman in Polotzk. […] Der zitierte Briefausschnitt mit der Desinfektion in Ruhleben wurde in der überarbeiteten, auf der reflektiven und emotionalen Ebene stärker aufgeladenen englischen Version „From Plotzk to Boston“ von 1899 bekannt, weil Mary Antin wörtliche Zitate aus dieser englischen Briefversion auch in ihre 1912 erschienene Autobiografie „The Promised Land“ montierte. Dieses Buch hatte großen Erfolg, erfuhr mehrere Auflagen und wurde bereits 1913 auch ins Deutsche übersetzt. Weiterlesen >

Vor Ort: Die jüdische Gemeinde und Migration

Die Hamburger jüdische Gemeinde kümmerte sich um die jüdischen Durchwanderer, wobei eine langfristige oder dauerhafte Niederlassung in der Hafenstadt nicht in ihrem Interesse lag. Eine entscheidende Figur war der Lehrer Daniel Wormser (1840–1900), der 1884 den Israelitischen Unterstützungsverein für Obdachlose gegründet hatte. Er organisierte die Bereitstellung von koscherer Verpflegung. Die Hamburger Behörden wandten sich regelmäßig an die Gemeinde, wenn jüdische Durchwanderer in Schwierigkeiten gerieten. Die Gemeinde legte großen Wert darauf, dass jüdische Durchwanderer der öffentlichen Hand nicht zur Last fielen. Sie postierte Vertreter im Hafen und ab 1902 in den HAPAG-Auswandererhallen. Und sie kooperierte eng mit dem 1901 gegründeten Hilfsverein der Deutschen Juden, der die Hilfe für Durchwanderer von Berlin aus koordinierte. Wie viele andere jüdische Gemeinden in Deutschland unterschied die Gemeinde zwischen bedürftigen Personen und professionellen „Schnorrern“. Über letztere tauschten jüdische Gemeinden in Deutschland Listen mit Steckbriefen aus. Die Hamburger jüdische Gemeinde half insbesondere Durchwanderern, die während der Reise erkrankten, Opfer von Betrügern wurden oder unfreiwillig in die Heimat zurückkehren mussten.

Quelle: StaHH, 373-7 Auswanderungsamt I II E III P 23 (4-7). Mit freundlicher Genehmigung des Staatsarchivs Hamburg.

Bericht und Abrechnung des Israelitischen Unterstützungsvereins für Obdachlose, 1901

Der Israelitische Unterstützungsverein für Obdachlose wurde 1884 von Daniel Wormser in Hamburg gegründet. Der Verein versorgte jüdische Durchwanderer aus Osteuropa, die sich in Hamburg nach Übersee einschifften, vor allem mit koscherer Verpflegung und Bekleidung. Der Verein finanzierte sich durch Spenden und erhielt Zuschüsse von der jüdischen Gemeinde und jüdischen Vereinen wie der Henry-Jones-Loge. Im Berichtsjahr 1899/1900 kamen viele männliche und weibliche Durchwanderer aus Galizien. Der Bericht erwähnt, russischen Durchwanderer in den einfachen Unterkünften am Amerikaquai untergebracht wurden. Die Auswandererhallen der HAPAG auf der Veddel waren noch im Bau und wurden erst 1901 eröffnet. Der Text erwähnt das Problem der „Mission“. Hierbei handelte es sich um christliche Missionare, die versuchten jüdische Migranten zu konvertieren. Die Methoden der Missionare waren umstritten. Die Zahl der jüdischen Konvertiten blieb relativ gering.

Quelle: Ausschnitt aus dem Hamburger Fremdenblatt, 12.11.1901, StaHH, 373-7 Auswanderungsamt I II E III P 23 (3). Mit freundlicher Genehmigung des Staatsarchivs Hamburg.

Ausschnitt aus Hamburger Fremdenblatt, 12.11.1901

Das Hamburger Fremdenblatt war um die Jahrhundertwende eine der großen Hamburger Tageszeitungen. Im November 1901 organisierten der Hamburger Israelitische Unterstützungsverein für Obdachlose und die jüdische Gemeinden in Breslau eine Zusammenkunft jüdischer Gemeinden und Vereine aus ganz Deutschland in Breslau. Das Ziel war die Gründung einer übergreifenden jüdischen Hilfsorganisation, die die Unterstützung jüdischer Durchwanderer – vor allem aber der Rückwanderer, die vielfach mittellos waren – koordinieren sollte. Der Zeitungsausschnitt belegt, dass der Hilfsverein der Deutschen Juden seine Entstehung maßgeblich einer Initiative aus Hamburg und Breslau verdankte. Breslau war ein wichtiger Durchgangsort für jüdische und andere Durchwanderer aus Galizien auf dem Weg in die Vereinigten Staaten und Westeuropa.

Ausschnitt aus dem Israelitischen Familienblatt vom 17.2.1902

Das Israelitische Familienblatt erschien wöchentlich und wurde in Hamburg verlegt. Die Zeitung war im gesamten Kaiserreich verbreitet. Jüdisches Leben in Hamburg bildete einen Schwerpunkt der Berichterstattung. Der Ausschnitt dokumentiert eine Besichtigung der neu eröffneten Auswandererhallen der HAPAG auf der Veddel durch Vertreter des Israelitischen Unterstützungsvereins für Obdachlose und der Henry-Jones-Loge, der viele führende Hamburger Juden angehörten. Die kleine Delegation besuchte die koschere Küche, den Speisesaal für jüdische Durchwanderer und die noch im Bau befindliche kleine Synagoge. Der Polizeibeamte Wenzel Kilian Kiliszewski führte die jüdischen Besucher durch die Anlage. Kiliszewski leitete die Polizeiabteilung in den Auswandererhallen und war seit den frühen 1890er-Jahren für Auswanderer im Hamburger Hafen zuständig. Im Auftrag des Hamburger Senats unternahm er zwischen 1891 und 1910 mehrfach Reisen nach Osteuropa, um Informationen über die Hauptverkehrswege der Migration zu sammeln. Seine detaillierten Berichte enthalten antisemitische Äußerungen. Der hier veröffentlichten sehr positiven Schilderung stehen Beschwerden von Auswanderern angesichts von Platzmangel und unhygienischen Zuständen gegenüber. Auch bat das jüdische Hilfskomitee immer wieder um Erlaubnis, einzelne Personen im Daniel Wormser Haus unterbringen zu dürfen. (Karin Schulz, Hamburg und die jüdische Auswanderung. Teil II: Von 1882 bis 1914, in: Die Juden in Hamburg 1590 bis 1990. Wissenschaftliche Beiträge der Universität Hamburg zur Ausstellung „Vierhundert Jahre Juden in Hamburg“, hrsg. v. Arno Herzig in Zusammenarbeit mit Saskia Rohde, Hamburg 1991, S. 472.)

Quelle: Ausschnitt aus dem Israelitischen Familienblatt vom 17.2.1902, StaHH, 373-7 Auswanderungsamt I II E III P 23 (2). Mit freundlicher Genehmigung des Staatsarchivs Hamburg.

Aufruf des Israelitischen Unterstützungs-Vereins für Obdachlose, 1906

Der Spendenaufruf des Israelitischen Unterstützungs-Vereins für Obdachlose wurde anlässlich des jüdischen Neujahrfestes im Herbst 1906 publiziert und lag der Ausgabe (Nr. 36) des Israelitischen Familienblattes vom 6.9.1906 bei. In diesem Jahr hatten sich in den südlichen Provinzen des Russländischen Reiches, vor allem im Gebiet der heutigen Ukraine und Moldawiens, zahlreiche Pogrome ereignet, denen dutzende von jüdischen Frauen, Männern und Kindern zum Opfer gefallen waren. Der Aufruf stellt keine direkte Verbindung zwischen Pogromen und Migration her. Die Leser wurden aufgefordert osteuropäische Juden zu unterstützen – in Form einer Spende an den Israelitischen Unterstützungs-Verein. Die Namen der Spender wurden im Israelitischen Familienblatt in der Ausgabe 37 vom 13.9.1906 publiziert.

Quelle: Israelitisches Familienblatt, Nr. 36, 6.9.1906, StaHH, 373-7 Auswanderungsamt I II E III P 23 (2-3) / Israelitisches Familienblatt, Nr. 37, 13.9.1906, S. 7. Mit freundlicher Genehmigung des Staatsarchivs Hamburg.

Mitteilung über Einrichtung eines „Bureaus“ des Hilfsvereins, 1907

Im Jahr 1907 eröffnete der Hilfsverein der Deutschen Juden in Hamburg ein eigenes Büro, um die Tätigkeit des Israelitischen Unterstützungs-Vereins für Obdachlose und der jüdischen Gemeinde in Hamburg zu unterstützen. Hintergrund war die starke Zunahme der osteuropäischen Migration in die Vereinigten Staaten. Im Jahr 1900 wanderten über 60.000 Juden in die Vereinigten Staaten ein. 1906 und 1907 waren es jeweils etwa 150.000. Das starke Wachstum der jüdischen Migration aus Osteuropa erklärt, warum der Hilfsverein den jüdischen Hilfsvereinigungen in Hamburg zur Seite trat.

Quelle: Ausschnitt aus „Hamburgischer Correspondent“ vom 24.1.1907, StaHH, 373-7 Auswanderungsamt I II E III P 25 (7). Mit freundlicher Genehmigung des Staatsarchivs Hamburg.

Der Hilfsverein der deutschen Juden

Die Geschäftsberichte des Hilfsvereins der deutschen Juden erschienen seit 1902 jährlich und dokumentieren detailliert die Entwicklung der Emigration osteuropäischer, vor allem russischer und galizischer Juden. […]
Zwischen 1901 und 1918 avancierte der Hilfsverein zum maßgeblichen Organisator der jüdischen Emigration aus Osteuropa und kümmerte sich innerhalb der international kooperierenden jüdischen Hilfsorganisationen in erster Linie um den Transit jüdischer Auswanderer durch das Deutsche Reich. […] Das Hamburger Lokalkomitee stand unter der Leitung von Paul Simon Laskar (1857–1926), der seit 1901 Mitglied im geschäftsführenden Ausschuss des Hilfsvereins war. Weiterlesen >

Hilfsverein der Juden in Deutschland, Jahresbericht, 1907.
Foto: Jens Ziehe, Mit freundlicher Genehmigung des Jüdischen Museums Berlin.
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Zwischenstation Hamburg: Die Auswandererhallen der HAPAG I

Wie in vielen Hafenstädten führte die stark wachsende Zahl von Durchwanderern nach 1880 auch in Hamburg zu teilweise chaotischen Verhältnissen. Die meisten Migranten mussten mehrere Tage auf die Abfahrt ihres Schiffes warten. Wer es sich leisten konnte, übernachtete in einer Pension im Hamburger Zentrum. Diese waren häufig überfüllt und boten einen geringen Standard. Andere Migranten hielten sich auf der Straße oder in den verschiedenen Bahnhöfen auf. Nach dem Ausbruch einer Cholera-Epidemie, für die fälschlicherweise russische Durchwanderer verantwortlich gemacht wurden, verlangte die amerikanische Einwanderungsbehörde 1893, dass sich alle russischen Migrantinnen und Migranten vor der Abreise einer Desinfektion und einer mehrtägigen Quarantäne zu unterziehen hatten. Daher wurden russische Durchwanderer ab dem Frühjahr 1893 in primitiven Barracken auf dem Amerikaquai untergebracht. Angesichts wachsender Konkurrenz aber auch aus Sorge über Hygienestandards entschied sich das Management der HAPAG zum Bau einer modernen Auswandererstadt auf der Veddel im Süden des Hafens. Diese öffnete 1902 ihre Tore. Die meisten Durchwanderer fuhren nun mit der Bahn direkt in die HAPAG-Auswandererhallen, ohne die Hamburger Bahnhöfe zu betreten. Gleich nach der Ankunft wurden sie untersucht und desinfiziert. Auf der „reinen“ Seite des Komplexes bot die HAPAG ihren Passagieren einen relativ hohen Komfort. Männer sowie Frauen und kleine Kinder wurden in getrennten Schlafsälen untergebracht. Es gab sogar eine kleine Synagoge. Jüdische Passagiere erhielten dank der Unterstützung der Hamburger jüdischen Gemeinde koschere Verpflegung. Von den Auswandererhallen liefen die Migranten zu Fuß und mit Wagen zum nahegelegenen Amerikaquai. Nach 1900 konnten jüdische Passagiere auch während der Überfahrt koschere Mahlzeiten erhalten.

Quelle: StaHH, 352-3 II F 6 Band 3 (148 a). Mit freundlicher Genehmigung des Staatsarchivs Hamburg.

Übersichtsplan, nach 1907

Der Plan zeigt die Auswandererhallen nach dem Abschluss einer Erweiterung, die 1907 abgeschlossen wurde. Der Plan illustriert die Unterteilung in einen „reinen“ und „unreinen“ Komplex. Im Empfangsgebäude untersuchte ein Arzt alle Auswanderer. Danach mussten sie sich nach Geschlechtern getrennt einer Desinfektion unterziehen. Eines der kleinsten Gebäude ist die Synagoge, die sich im Süden der Auswandererhallen auf der „reinen“ Seite befand. Personen, die an ansteckenden Krankheiten litten oder auffällige Symptome aufwiesen, wurden in einer separaten „Beobachtungsstation“ unter Quarantäne gestellt. Die Unterbringung erfolgte in Pavillons, wobei nach Nationalität, Religion und Geschlecht getrennt wurde.

Belehrung und Hausordnung

Die in deutscher und ungarischer Sprache verfasste Hausordnung vermittelt einen Eindruck vom Alltag in den Auswandererhallen. Nur wenige Durchwanderer sprachen Deutsch. Neben Ungarisch waren die am meisten verbreiteten Sprachen Polnisch, Jiddisch, Tschechisch und Kroatisch.

Quelle: StaHH, 373-7 Auswanderungsamt I II E III 4 (1). Mit freundlicher Genehmigung des Staatsarchivs Hamburg.

Preise Wohnung und Beköstigung in verschiedenen Sprachen, 1907

Die Durchwanderer mussten pro Tag 2 Mark für die Unterkunft und Verpflegung bezahlen. Wer es sich leisten konnte, übernachtete für einen höheren Betrag in Hotels, die zu den Auswandererhallen gehörten. Diese Preise waren geringer als in der Stadt und deckten die Kosten der HAPAG vermutlich nicht vollständig ab. Die Hinweise in Deutsch, Ungarisch, Polnisch, Russisch und Hebräisch belegen eindrucksvoll, dass die meisten Passagiere aus Osteuropa kamen. Es gab keine Hinweistexte in englischer Sprache.

Quelle: StaHH, 373-7 Auswanderungsamt I II E III 5 (1-5). Mit freundlicher Genehmigung des Staatsarchivs Hamburg.

Hamburg-Amerika-Linie, Sonderrundschreiben, Preise für Unterkunft und Verpflegung (1924/1926)

Die beiden Informationstexte stammen aus den 1920er-Jahren. Während des Ersten Weltkrieges dienten die Auswandererhallen als Lazarett. 1921 wurde ein Teil des Komplexes wieder für Passagiere der HAPAG eröffnet. Die HAPAG hatte im Krieg fast ihre gesamte Flotte verloren. 1921 nahm sie in Kooperation mit der amerikanischen Harriman Linie wieder einen Service nach Nordamerika auf. Der amerikanische Kongress schloss Ost- und Südeuropäer 1921 weitgehend von der Einwanderung aus. Viele HAPAG-Passagiere, die in den 1920er-Jahren nach Nord- und Südamerika sowie nach Mittelamerika reisten, waren deutsche Auswanderer. Interessant ist der Hinweis auf die Unterbringung von Familienangehörigen, die zur Verabschiedung mitreisten.

Quelle: StaHH, 373-7 Auswanderungsamt I II E III 5 (6-7 / 15-16). Mit freundlicher Genehmigung des Staatsarchivs Hamburg.

„Die Jüdische Auswanderung“ (Juli / August 1905)

Der Hauptautor des Artikels über jüdische Auswanderung war Bernhard Kahn (1876–1955), der für mehrere jüdische Hilfsvereinigungen in Deutschland und in den Vereinigten Staaten tätig war. 1905 amtierte er als geschäftsführender Direktor des Hilfsvereins der Deutschen Juden. Der Text über Ellis Island wurde von Theodor Vogelstein (1880–1957) verfasst. Er lehrte 1906 als Dozent für Volkswirtschaft in München. 1918 gehörte Vogelstein zu den Gründern der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei. Der Text informiert umfassend und differenziert über die jüdische Migration aus Osteuropa. Besonders wertvoll sind die eigens für den Artikel in Hamburg, Bremen und Berlin angefertigten Fotografien von Durchwanderern und Mitarbeitern des Hilfsvereins und jüdischer Gemeinden. Die Bilder aus Ruhleben (bei Berlin) sind die einzigen bekannten Aufnahmen der Anlage.

Quelle: Separat-Abdruck „Die jüdische Auswanderung“, aus: Ost und West – Illustrierte Monatsschrift für Modernes Judentum“, 7-8 (Juli / August 1905), Hapag Lloyd Archiv, die Ausgabe selbst ist digitalisiert: sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/titleinfo/2583939

Zwischenstation Hamburg: Die Auswandererhallen der HAPAG II

Im April 1889 eröffnete Johann Hamann (1859-1935) sein Fotoatelier im Hamburger Gängeviertel. Dies geschah zu einer Zeit, da durch die Einführung neuer Techniken die Momentaufnahme außerhalb des Studios sowie die Reproduktion von Fotografien erleichtert wurden. Hamanns fotografisches Werk zeichnete sich neben der Porträtfotografie im Atelier durch die fotografische Dokumentation der Stadt und ihrer Bewohnerinnen und Bewohner aus. Auch fertigte er Tieraufnahmen im Zoologischen Garten für den Schulunterricht an. Seit 1899 fotografierte Hamann für die Hamburg-Amerika-Linie, erst Kapitänsporträts, später auch Schiffe. Diese Arbeiten entstanden bereits unter Mithilfe seines Sohnes Heinrich Hamann (1883-1975), der in die Fußstapfen des Vaters zu treten begann. Auch die gemeinsamen Fotografien in den Auswandererhallen der Hapag aus dem Jahr 1909 waren eine Auftragsarbeit. Einige der Aufnahmen wurden von Walter Sthamer im folgenden Jahr in der Broschüre „Die Auswandererhallen in Hamburg“ veröffentlicht. Heinrich Hamann setze diese Auftragsarbeiten fort und fotografierte unter anderem für Reiseprospekte und Werbebroschüren der Hapag.

Der gesamte Bestand von Hamanns Aufnahmen aus den Auswandererhallen befindet sich heute im Hamburger Staatsarchiv.

Arztkontrolle

Bei der Ankunft wurden alle Auswanderer medizinisch untersucht und desinfiziert, bevor sie den „reinen“ Teil der Auswandererhallen betreten konnten. Zuvor waren diese medizinischen Kontrollen direkt nach dem Grenzübergang, etwa in Ruhleben bei Berlin, durchgeführt worden.

Quelle: Arztkontrolle. Foto: Johann Hamann, StaHH, 720-1/343-1/ H3001119. Mit freundlicher Genehmigung des Staatsarchivs Hamburg.

„Auswanderer vor dem Comité des Hilfsvereins der Deutschen Juden in Hamburg“, 1907

Dieses häufig reproduzierte Bild findet sich auch im Jahresbericht des Hilfsvereins für das Jahr 1907. Es entstand in den Auswandererhallen und zeigt Hamburger Vertreter des Hilfsvereins mit jüdischen Auswanderern und HAPAG-Mitarbeitern. Der genaue Zweck der Aufnahme ist nicht überliefert. Das Bild sollte Spendern des Hilfsvereins den Eindruck vermitteln, dass die Mitarbeiter des Vereins sich um die Durchwanderer kümmerten und ihnen professionellen Rat erteilten. Es fällt auf, dass alle männlichen Auswanderer einen Hut tragen (ebenso wie die HAPAG-Mitarbeiter), während die Hilfsvereins-Vertreter keine Kopfbedeckung haben. Sehr wahrscheinlich waren die jüdischen Familien auf dem Bild orthodox. Die längere Belichtungszeit des Fotos erklärt, warum die Gesichter der Kinder und Frauen in der ersten Reihe verwischt sind. Kindern fiel es oft schwer, sich über eine Minute lang nicht zu bewegen.

Quelle: Verabschiedung der jüdischen Auswanderer durch die Vertretung des „jüdischen Unterstützungsverein“. Foto: Johann Hamann, StaHH, 720-1/343-1/ H3001165. Mit freundlicher Genehmigung des Staatsarchivs Hamburg.

Einweihung Synagoge

Das handgeschriebene Programm dokumentiert den Gottesdienst, der anlässlich der Eröffnung der Synagoge auf dem Amerikaquai am 3.9.1896 gehalten wurde. Die amerikanische Einwanderungsbehörde verlangte nach der Cholera-Epidemie in Hamburg im Frühjahr 1893 eine mehrtätige Quarantäne für alle russischen Einwanderer, bevor sie die Reise nach Nordamerika antraten. Das machte auch die religiöse Versorgung der Durchwanderer nötig. Daniel Wormser und die jüdische Gemeinde hatten sich für den Bau der Synagoge und die Einrichtung einer nach jüdischen Speisegesetzen geführten Küche eingesetzt.

Quelle: Programm zur Einweihung der Synagoge, StaHH, 373-7 Auswanderungsamt I II E III P 27 (2-3). Mit freundlicher Genehmigung des Staatsarchivs Hamburg.

Synagoge

Dieses Bild zeigt den Innenraum der kleinen Synagoge in den Auswandererhallen. Bei der Unterbringung der Auswanderer wurde auf die Religionszugehörigkeit geachtet, neben der Synagoge gab es einen jüdischen Speiseraum, eine Küche für die Zubereitung koscherer Speisen sowie Schlafsäle für jüdische Männer und Frauen. Christliche Durchwanderer waren getrennt untergebracht, es gab sowohl eine evangelische als auch eine katholische Kirche.

Quelle: Blick in die Synagoge. Foto: Johann Hamann, StaHH, 720-1/343-1/ H3001113. Mit freundlicher Genehmigung des Staatsarchivs Hamburg.

Aufenthaltsraum

Das Bild zeigt einen Aufenthaltsraum in den Auswandererhallen. Hier verbrachten jüdische Passagiere den Tag vor allem während der Wintermonate. Die Frauen und Männer tragen Kopfbedeckungen. Die Gesichter der Kinder sind verwischt, weil sie während der Belichtungszeit nicht lange genug stillhalten konnten.

Quelle: Aufenthaltsraum für jüdische Auswanderer. Foto: Johann Hamann, StaHH, 720-1/343-1/ H3001164. Mit freundlicher Genehmigung des Staatsarchivs Hamburg.
Quelle: Speisesaal. Foto: Johann Hamann, StaHH, 720-1/343-1/ H3001112. Mit freundlicher Genehmigung des Staatsarchivs Hamburg.

Speisesaal / Abschiedsmahl

Die Bilder zeigen den Speisesaal für jüdische Auswanderer, der auch auf anderen Aufnahmen dokumentiert ist. Auf dem Bild des Abschiedsessens sind rechts im Vordergrund Hamburger Vertreter des Hilfsvereins der Deutschen Juden zu erkennen. Das Bild des Abschiedsessens findet sich auch im Jahresbericht des Hilfsvereins für das Jahr 1907.

Quelle: Abschiedsmahlzeit. Foto: Familie Hamann, StaHH, 720-1/343-1/ H3001120. Mit freundlicher Genehmigung des Staatsarchivs Hamburg.
Foto: Familie Hamann, StaHH 720-1/343-1/ H301161. Mit freundlicher Genehmigung des Staatsarchivs Hamburg.

Geschäftiges Treiben in den Auswandererhallen

Die kürzere Belichtungszeit an einem sonnigen Tag ermöglichte Hamann einen ungewöhnlichen Blick auf den geschäftigen Alltag im „reinen“ Teil der Auswandererhallen. Im Vordergrund sind zwei gut gekleidete Männer mit Bowler-Hut zu erkennen, vermutlich HAPAG-Bedienstete. Eine größere Gruppe von Männern und Frauen, die aus Osteuropa stammen, bilden eine Schlange. Im Hintergrund stehen weitere HAPAG-Bedienstete. Obwohl ihr Gepäck nicht sichtbar ist (mit Ausnahme der kleinen Gruppe im rechts im Vordergrund) wartet die Gruppe vermutlich auf die Einschiffung. An Pavillon Nr. 9 verweist ein Hinweisschild in deutscher, ungarischer, polnischer, russischer und jiddischer Sprache auf den Einschiffungsplatz. In den Pavillons Nr. 9 und 4 links im Bild befanden sich Schlafsäle, Aufenthaltsräume und sanitäre Anlagen. Das Gebäude rechts im Bild beherbergte die Desinfektionsanlagen, die alle Migranten passieren mussten, bevor sie den reinen Teil der Anlage betreten konnten. Im Hintergrund links ist ein Verwaltungsgebäude der HAPAG zu erkennen.

Auswanderer gehen an Bord

Die Auswanderer besteigen ein Schiff. Es fällt auf, dass es sich um ein relativ kleines Schiff handelt. Vermutlich brachte es die Passagiere zu einem der großen Ozeandampfer, die seit 1901 als Transportmittel nach Übersee üblich waren.

Quelle: Auswanderer gehen an Bord. Foto: Johann Hamann, StaHH, 720-1/343-1/ H3001121. Mit freundlicher Genehmigung des Staatsarchivs Hamburg.

Ankunft in der Neuen Welt

Bis 1914 betraten die meisten Einwanderer amerikanischen Boden in New York. Bevor die Einwandererstation Ellis Island im Januar 1892 ihren Betrieb aufnahm, wurden Einwanderer in Castle Garden, einem riesigen aus Holz erbauten Gebäude an der Südspitze von Manhattan abgefertigt. Im Gedränge war es relativ einfach, die Kontrollen zu umgehen. Viele Einwanderer waren auf den Trubel der riesigen Stadt direkt außerhalb von Castle Garden nicht vorbereitet. Nicht wenige verloren ihre Ersparnisse Stunden nach der Ankunft an Betrüger. Ellis Island läutete eine neue Phase in der amerikanischen Einwanderungsgeschichte ein. Alle Passagiere, die in der billigsten Klasse reisten, mussten sich einer Inspektion unterziehen, um sicherzustellen, dass sie gesund waren und den Einwanderungsbestimmungen entsprachen. In Ellis Island genossen die Migranten zugleich aber auch Schutz vor diversen Betrügern und konnten sich an Mitarbeiter jüdischer und anderer Hilfsorganisationen wenden. Eine nicht geringe Zahl europäischer Migranten reiste über kanadische Häfen oder über andere amerikanische Häfen wie Philadelphia, wo sie nach 1892 ebenfalls von amerikanischen Einwanderungsinspektoren untersucht wurden. Passagiere der ersten und zweiten Klasse wurden nur oberflächlich auf dem Schiff befragt. Auch wenn viele Migranten der Untersuchung in Ellis Island ängstlich entgegensahen, wurden nur etwa zwei Prozent aller Migranten tatsächlich abgewiesen. Die HAPAG und der Bremer Norddeutsche Lloyd genossen bei den amerikanischen Einwanderungsbehörden einen guten Ruf für ihre hohen Hygienestandards. Die Rückweisungsrate ihrer Passagiere war gering. Das war ein Grund, warum viele Osteuropäer lange Umwege in Kauf nahmen, um über Hamburg oder Bremen zu reisen.

Foto: Ellis Island Einwanderungsstation, 24.2.1905. Library of Congress via the American Heritage website, gemeinfrei, commons.wikimedia.org/wiki/File:Ellis_Island_in_1905.jpg.

Ellis Island, 1905

Die Einwandererstation auf Ellis Island öffnete ihre Tore am 1.1.1892 in einem großen Holzgebäude. 1897 brannte die Anlage fast vollständig nieder. Der imposante Neubau wurde im Jahr 1900 eingeweiht und ist bis heute erhalten.

Einwanderer mit Gepäck vor dem Hauptgebäude

Dieses Bild zeigt eine Gruppe vermutlich osteuropäischer Einwanderer mit Gepäck im Eingangsbereich des 1900 neu errichteten Hauptgebäudes der Einwandererkontrollstation von Ellis Island. Direkt im Rücken des Fotographen befindet sich noch heute die Anlegestelle für die Fähre, mit der die Migrantinnen und Migranten vom Dock in Manhattan oder Brooklyn nach Ellis Island gebracht wurden.

Quelle: The Statue of Liberty NM and Ellis Island Immigration Museum, 19.5#3

Ärztliche Untersuchung von männlichen Einwanderern (1907)

Die Einwanderer wurden nach der Ankunft in den Vereinigten Staaten ärztlich untersucht. Ein Arzt inspizierte Passagiere der ersten und zweiten Klasse auf dem Schiff. Die meisten Migranten reisten im Zwischendeck in der dritten Klasse. Sie wurden mit Fähren vom Dock in Manhattan oder Brooklyn nach Ellis Island gebracht. Hier wurden sie eingehend auf bestimmte ansteckende Krankheiten untersucht. Im Hintergrund ist eine Tafel mit hebräischen Buchstaben zu sehen, die vermutlich für Sehtests verwendet wurde.

Quelle: The Statue of Liberty NM and Ellis Island Immigration Museum, 19.15#22

Registrierung der Einwanderer

Die Registrierung der Einwanderer fand in der großen Haupthalle von Ellis Island statt. Die amerikanischen Beamten glichen die Namen der Einwandernden mit den Passagierlisten ab. Sie notierten ihr Alter, ihre Herkunft und ihr Ziel. Alleinreisende jüngere Frauen wurden häufig eingehend befragt, um sicherzustellen, dass sie keine Prostituierten waren. Einwanderer, die sich einer längeren Inspektion unterziehen mussten, konnten sich an jüdische und andere Hilfsvereinigungen wenden. Sie konnten sich auch einen Anwalt nehmen, der ihre Interessen vertrat.

Quelle: The Statue of Liberty NM and Ellis Island Immigration Museum, 19.16#6

Ellis Island, 2016

Die Einwandererstation wurde 1954 geschlossen. Das Hauptgebäude und kleinere Bauten wurden verlassen. Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Einweihung der Freiheitsstatue (1886) engagierten sich bekannte amerikanische Persönlichkeiten für den Bau eines Einwanderungsmuseums auf Ellis Island, in unmittelbarer Nachbarschaft der Freiheitsstatue. Das Hauptgebäude wurde renoviert, und 1990 betraten die ersten Besucherinnen und Besucher das Museum, das der amerikanischen Nationalpark-Verwaltung untersteht.

Foto: Tobias Brinkmann.
Foto: Tobias Brinkmann.

Jersey City: Bahnhof von Ellis Island

Das „Central Railroad of New Jersey Terminal“ ersetzte 1889 einen älteren Vorgängerbau. Der gewaltige Bahnhof verfügte über mehr als ein Dutzend Bahnsteige. Das Terminal diente fast zwanzig Jahre als einer der wichtigsten New Yorker Bahnhöfe, da Manhattan vor 1910 nicht direkt mit der Eisenbahn von New Jersey aus erreichbar war. Direkt vor dem Bahnhof legten Fähren an, die von und nach Manhattan verkehrten. Die Nähe zu Ellis Island erklärt, warum der Bahnhof nach 1892 auch zu einem wichtigen Umschlagplatz für Einwanderer avancierte. Nach der Inspektion wurden die Einwanderer mit der Fähre zum nahegelegenen Terminal auf dem Festland gebracht. Hier traten sie die Reise ins Landesinnere an, ohne die Stadt New York zu betreten. Nach dem Ersten Weltkrieg benutzten vor allem Pendler aus New Jersey den Bahnhof. 1967 wurde das Terminal geschlossen.

Lower East Side, New York City (1922)

Die 1922 versandte (kolorierte) Postkarte vermittelt einen Eindruck vom Leben an der Lower East Side in New York. Das Viertel trug um 1860 den Namen „Little Germany“ oder „Kleindeutschland“. Um 1880, als die meisten deutschsprachigen Einwanderer nach Norden in bessere Viertel gezogen waren, siedelten sich vor allem jüdische Einwanderer aus Osteuropa an der Lower East Side an, in direkter Nachbarschaft zu italienischen Einwanderern. Um 1905 lebten rund 350.000 Jüdinnen und Juden allein in diesem Teil von New York. Ebenso wie die jüdischen Einwandererviertel in Chicago und London galt das Viertel im Volksmund und in der amerikanisch-jüdischen Öffentlichkeit als „Ghetto“. Der Name verrät mehr über die stereotype Perspektive etablierter Juden und vieler Amerikaner als über die Einwanderer, von denen viele nur wenige Jahre in dem Viertel lebten. Viele verdingten sich als Straßenhändler. Juden spezialisierten sich vor allem auf den Obstverkauf von Straßenwagen, die im Hintergrund zu erkennen sind. In den 1920er-Jahren zogen die meisten jüdischen Bewohner von der Lower East Side in andere Teile New Yorks, vor allem in die Bronx und nach Brooklyn.