Von Hamburg in die Welt – Jüdische Auswanderung und der Hilfsverein der deutschen Juden

David Hamann

Quellenbeschreibung

Die Geschäftsberichte des Hilfsvereins der deutschen Juden erschienen seit 1902 jährlich und dokumentieren detailliert die Entwicklung der Emigration osteuropäischer, vor allem russischer und galizischer Juden. Im vorliegenden Anhang des 6. Geschäftsberichts gibt der Hilfsverein einen Überblick über die aktuelle Lage der jüdischen Osteuropa-Auswanderung für das Kalenderjahr 1907 und stellt die umfangreiche Unterstützungsarbeit des Vereins für jüdische Auswanderer in anschaulicher Weise mithilfe von Statistiken, Tabellen und Berichten dar.
Zwischen 1901 und 1918 avancierte der Hilfsverein zum maßgeblichen Organisator der jüdischen Emigration aus Osteuropa und kümmerte sich innerhalb der international kooperierenden jüdischen Hilfsorganisationen in erster Linie um den Transit jüdischer Auswanderer durch das Deutsche Reich. Neben der Schilderung der Tätigkeit der Zentrale in Berlin und des 1904 gegründeten BerlinerZentralbureaus für jüdische Auswanderungsangelegenheiten“ (S. 103–105; S. 116 f.) werden auch den Hilfsvereins-Filialen in Hamburg (S. 113–115) und Bremen (S. 115 f.) jeweils ein eigener Abschnitt des Anhangs des Geschäftsberichtes gewidmet, was ihren Stellenwert innerhalb der Struktur des Hilfsvereins klar unterstreicht. Das Hamburger Lokalkomitee stand unter der Leitung von Paul Simon Laskar (1857–1926), der seit 1901 Mitglied im geschäftsführenden Ausschuss des Hilfsvereins war. Hamburg war als einer der größten Nordseehäfen eine wichtige Durchgangsstation für jüdische Auswanderer aus Osteuropa auf dem Weg in die Vereinigten Staaten.
  • David Hamann

Die Hamburger Filiale des „Zentralbureaus für jüdische Auswanderungsangelegenheiten


Der vor­lie­gen­de An­hang zum 6. Ge­schäfts­be­richt be­schreibt die organisatorisch-​finanzielle Un­ter­stüt­zung des Hilfs­ver­eins für ost­eu­ro­päi­sche Emi­gran­ten unter be­son­de­rer Be­rück­sich­ti­gung der Ham­bur­ger und Bre­mer Hilfs­ver­eins-​Filialen. Diese Un­ter­stüt­zung schloss neben dem Emp­fang der ost­eu­ro­päi­schen Aus­wan­de­rer an der rus­sisch-preu­ßi­schen Gren­ze durch Lo­kal­ko­mi­tees und Ver­trau­ens­leu­te des Hilfs­ver­eins die ge­sam­te Or­ga­ni­sa­ti­on des Tran­sits durch Deutsch­land ein, von der Bahn­rei­se über die Aus­stat­tung mit gül­ti­gen Schiffs­pas­sa­gen – haupt­säch­lich der HAPAG und des Lloyd – bis hin zu ganz all­täg­li­chen Din­gen wie Ver­pfle­gung, Be­klei­dung, ärzt­li­che Ver­sor­gung, Un­ter­brin­gung in Her­ber­gen und Be­reit­stel­lung von ko­sche­rem Essen (S. 117–119). Ins­ge­samt wur­den 1907 400.000 Mark dafür ver­aus­gabt (S. 117). Der Be­richt schreibt den bei­den Ha­fen­städ­ten Ham­burg und Bre­men neben der Ber­li­ner Zen­tra­le die „na­tur­ge­mäß[e] […] aus­ge­dehn­tes­te Tä­tig­keit“ (S. 113) in­ner­halb des Ver­eins zu. Die Be­deu­tung des Ham­bur­ger Ha­fens „für die rus­si­sche und daher auch für die jü­di­sche Aus­wan­de­rung“ (S. 113) er­klärt, warum die Ham­bur­ger Fi­lia­le zudem eine ei­ge­ne Au­ßen­stel­le des 1904 ge­grün­de­ten Ber­li­nerZen­tral­bu­re­aus für jü­di­sche Aus­wan­de­rungs­an­ge­le­gen­hei­ten“ un­ter­hielt. Unter der „um­sich­ti­gen und er­fah­re­nen Lei­tung“ ihres Vor­sit­zen­den Paul Simon Las­kar (1857–1926) hat­ten die Ham­bur­ger Mit­ar­bei­ter des Hilfs­ver­eins einen be­trächt­li­chen Ar­beits­auf­wand zu leis­ten (S. 115). Im Jahr 1907 ver­lie­ßen ins­ge­samt 155.982 Aus­wan­de­rer Ham­burg. Von die­sen waren 29.007 rus­si­sche Juden. Zu­sam­men mit wei­te­ren 8.000 Juden aus Ös­ter­reich und Ru­mä­ni­en er­höh­te sich die Zahl der in Ham­burg vom Hilfs­ver­ein be­treu­ten jü­di­schen Per­so­nen auf ins­ge­samt 35.007 (S. 115).

Die Gründung des Hilfsvereins der deutschen Juden


Der Hilfs­ver­ein der deut­schen Juden wurde maß­geb­lich von dem li­be­ra­len Ber­li­ner Jour­na­lis­ten Paul Na­than in­iti­iert und am 28.5.1901 in Ber­lin ge­grün­det. Prä­si­dent wurde der be­kann­te Ber­li­ner Kunst­mä­zen James Simon, der per­sön­lich mit Kai­ser Wil­helm II. be­kannt war. Mit der Grün­dung woll­ten Na­than und Simon die deut­sche Un­ter­stüt­zung für die un­ter­drück­ten Juden Ost­eu­ro­pas bün­deln und unter einem ef­fi­zi­ent ar­bei­ten­den Dach­ver­band zu­sam­men­füh­ren. Die bis dahin üb­li­che Pra­xis deut­scher Hilfs­ko­mi­tees hatte darin be­stan­den, bei hu­ma­ni­tä­ren Ka­ta­stro­phen wie Po­gro­men in Russ­land Samm­lun­gen durch­zu­füh­ren, die sich aber trotz Un­ter­stüt­zung durch die fran­zö­si­sche AIU häu­fig als lang­wie­rig und kom­pli­ziert er­wie­sen und die Opfer viel zu spät er­reich­ten.

Die Ziele des Hilfsvereins


Wie die be­reits 1860 in Paris ge­grün­de­te AIU ver­folg­te auch der Hilfs­ver­ein in ers­ter Linie das Ziel, die ost­eu­ro­päi­schen Juden po­li­tisch zu eman­zi­pie­ren und ihre Le­bens­be­din­gun­gen zu ver­bes­sern, um so deren Aus­wan­de­rung lang­fris­tig über­flüs­sig zu ma­chen. Der Fokus lag dabei auf Bildungs-​ und Aus­bil­dungs­pro­jek­ten vor Ort. Wie der Be­richt be­tont, stand eine „Auf­mun­te­rung zur Aus­wan­de­rung“ kei­nes­wegs zur De­bat­te (S. 117). Oft be­stan­den zudem große Vor­be­hal­te der west­eu­ro­päi­schen Juden ge­gen­über ihren ost­eu­ro­päi­schen Glau­bens­ge­nos­sen. „Ost­ju­den“ waren häu­fig sehr re­li­gi­ös und in den Augen der im Hilfs­ver­ein en­ga­gier­ten li­be­ra­len, groß­bür­ger­li­chen Juden stan­den sie so­zia­lis­ti­schen Ideen zu po­si­tiv ge­gen­über. Auch spra­chen sie kaum deutsch und waren zu­meist ver­armt, was den Un­ter­stüt­zungs­auf­wand zu­sätz­lich er­höh­te. Hinzu kam die Furcht der eman­zi­pier­ten deut­schen Juden, die „Fabel von der jü­di­schen Mas­sen­ein­wan­de­rung“ könne die gras­sie­ren­den an­ti­se­mi­ti­schen Ten­den­zen in der deut­schen Ge­sell­schaft wei­ter be­feu­ern. Diese Sorge wurde auch von eta­blier­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen wie dem CV ge­teilt.

Das Netzwerk des Hilfsvereins


Der Hilfs­ver­ein schaff­te es in­ner­halb nur eines Jah­res ein reichs­wei­tes Netz von Orts­ver­ei­nen und Lo­kal­ko­mi­tees auf­zu­bau­en und konn­te damit auf eine brei­te Spen­den­ba­sis für drin­gend be­nö­tig­te Hilfs­gel­der für Ost­eu­ro­pa zu­rück­grei­fen. Die­ses Netz dien­te dazu, den Tran­sit durch Deutsch­land zu or­ga­ni­sie­ren. Die vor­lie­gen­de Quel­le be­nennt Hilfs­ver­eins-​Filialen in 23 grö­ße­ren deut­schen Städ­ten sowie vier in gro­ßen au­ßer­deut­sche Städ­te (Ta­bel­le, S. 111), die di­rekt mit der Be­för­de­rung ost­eu­ro­päi­scher Juden zu tun hat­ten.

Die Krisenhilfe des Hilfsvereins


Dank zahl­rei­cher Ver­trau­ens­leu­te und In­for­man­ten in den Kri­sen­ge­bie­ten wuss­te die Ber­li­ner Zen­tra­le schnell über die Zu­stän­de vor Ort Be­scheid und konn­te ent­spre­chend re­agie­ren. So konn­ten Hilfs­gel­der häu­fig prä­ven­tiv an die rich­ti­gen Stel­len ge­lan­gen, etwa wäh­rend der Bal­kan­krie­ge 1912/13. Zudem un­ter­hielt der Hilfs­ver­ein seit sei­ner Grün­dung her­vor­ra­gen­de Be­zie­hun­gen mit an­de­ren in­ter­na­tio­na­len Or­ga­ni­sa­tio­nen wie der fran­zö­si­schen AIU und der bri­ti­schen Anglo Je­wish As­so­cia­ti­on.

Vorläufer des Hilfsvereins


Die eu­ro­päi­sche Di­men­si­on des mo­der­nen An­ti­se­mi­tis­mus wurde den west­eu­ro­päi­schen Juden ge­ra­de durch schwe­re Aus­schrei­tun­gen in Ost­eu­ro­pa und große Flücht­lings­strö­me, vor­nehm­lich aus Russ­land und Ru­mä­ni­en mehr als deut­lich vor Augen ge­führt. 1881 waren nach einem At­ten­tat auf den Zaren Alex­an­der II. hef­ti­ge Po­gro­me im Ge­biet der heu­ti­gen Ukrai­ne aus­ge­bro­chen, Tau­sen­de Juden flüch­te­ten über die west­li­chen Gren­zen. Dar­auf­hin wur­den in vie­len deut­schen Städ­ten, aber auch in Ös­ter­reich, Eng­land, Frank­reich und den USA, Hilfs­ko­mi­tees ins Leben ge­ru­fen, die sich am 23.4.1882 unter dem Vor­sitz des Ber­li­ner Rechts­an­walts und Ge­mein­de­re­prä­sen­tan­ten Her­mann Mar­kower (1830–1897) in Ber­lin zum „Hülfs-​Comité für die noth­lei­de­nen rus­si­schen Juden“ zu­sam­men schlos­sen, um die Hilfs­gel­der und Flücht­lings­strö­me zu ko­or­di­nie­ren. Von Mai bis Sep­tem­ber 1882 sam­mel­ten die Ko­mi­tees ge­mein­sam 642.274 Mark, von Ok­to­ber 1881 bis Ok­to­ber 1882 wur­den über Ham­burg 10.000 jü­di­sche Emi­gran­ten ver­schifft. Viele die­ser Ko­mi­tees gin­gen nach 1901 im Hilfs­ver­ein auf oder ar­bei­te­ten eng mit ihm zu­sam­men. Zwar gab es bei ei­ni­gen Lo­kal­ko­mi­tees, vor allem in Frank­furt am Main Be­den­ken, den Hilfs­ver­ein als Dach­ver­band und Nach­fol­ger der AIU zu eta­blie­ren, doch im Vor­der­grund stand die not­wen­di­ge Kom­bi­na­ti­on von hu­ma­ni­tä­rem En­ga­ge­ment und or­ga­ni­sa­to­ri­scher Ef­fi­zi­enz.

Die Emigration osteuropäischer Juden


Ab 1900 wuchs die Zahl der rus­si­schen und ru­mä­ni­schen jü­di­schen Aus­wan­de­rer in er­heb­li­chem Maße an. Na­than und an­de­re ein­fluss­rei­che jü­di­sche Phil­an­thro­pen Eu­ro­pas ver­such­ten wei­ter­hin po­li­tisch auf die bür­ger­li­che Gleich­stel­lung der ost­eu­ro­päi­schen, vor allem der rus­si­schen und ru­mä­ni­schen Juden hin­zu­ar­bei­ten. Gleich­zei­tig be­müh­te sich der Hilfs­ver­ein mit den seit De­zem­ber 1904 mo­nat­lich er­schei­nen­den „Cor­re­spon­denz­blät­tern“, die Emi­gran­ten be­reits im Vor­feld ihrer Reise mit zahl­rei­chen prak­ti­schen Tipps zu un­ter­stüt­zen, so etwa mit Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen über die Ziel­län­der und deren ge­setz­li­che Ein­rei­se­be­stim­mun­gen, Preis­ta­bel­len der Reichs­bahn oder Li­te­ra­tur­hin­wei­sen für Wör­ter­bü­cher. Auch die An­zahl von In­for­ma­ti­ons­bü­ros in den Aus­wan­de­rungs­län­dern, deren Sinn in einer bes­se­ren Vorab-​Koordinierung be­stand, war bis 1907 „in immer grö­ße­rem Maße“ ge­stie­gen (S. 105 f.). Nach den ge­walt­tä­ti­gen Aus­schrei­tun­gen wäh­rend der Po­gro­me in Ki­schinew 1903 führ­te Na­than in­ten­si­ve Ge­sprä­che mit dem li­be­ra­len rus­si­schen Mi­nis­ter­prä­si­den­ten Ser­gei Jul­je­witsch Witte, spä­ter mit des­sen Nach­fol­ger Pjotr Ar­kad­je­witsch Sto­lypin. Er be­zeich­ne­te die Ver­hand­lun­gen je­doch 1906 rück­wir­kend als er­folg­lo­ses „Af­fen­thea­ter“. Spä­tes­tens mit dem russisch-​japanischen Krieg 1904 und der dar­auf fol­gen­den Rus­si­schen Re­vo­lu­ti­on von 1905/06 waren er­folg­ver­spre­chen­de Be­mü­hun­gen die­ser Art in weite Ferne ge­rückt. Nun war man be­müht, so viele Juden aus Russ­land zu ret­ten wie mög­lich.

Zusammenarbeit mit anderen Wohltätigskeitsverbänden


Die Lei­tung der Ver­eins­zen­tra­le des Hilfs­ver­eins wie der lo­ka­len Fi­lia­len lag in den Hän­den von li­be­ra­len, groß­bür­ger­li­chen Ho­no­ra­tio­ren, die den Ein­fluss des Ver­eins in Po­li­tik und Wirt­schaft ga­ran­tier­ten. So­zia­les En­ga­ge­ment war im deut­schen Bür­ger­tum des Kai­ser­reichs weit ver­brei­tet. Viele der Hilfs­ver­einsmit­glie­der waren auch in an­de­ren wohl­tä­ti­gen Or­ga­ni­sa­tio­nen aktiv. So ergab sich eine eng­ma­schi­ge Ver­zah­nung und Ko­ope­ra­ti­on vie­ler Wohl­tä­tig­keits­or­ga­ni­sa­tio­nen. Die Ham­bur­ger Hilfs­ver­eins-​Filiale um Paul Simon Las­kar, der gleich­zei­tig Vor­stands­mit­glied des Ham­bur­ger CV war, ar­bei­te­te eng mit dem Ham­bur­ger Is­rae­li­ti­schen Unterstützungs-​Verein für Ob­dach­lo­se zu­sam­men, der 1884 von dem Di­rek­tor der Ham­bur­ger Tal­mud Tora Re­al­schu­le, Da­ni­el Worm­ser ge­grün­det wor­den war. Wie der Be­richt er­wähnt (S. 121 f.) stell­te der Obdachlosen-​Verein 1907 die Be­klei­dung für 4.100 durch­rei­sen­den Emi­gran­ten zur Ver­fü­gung. Auch das lo­ka­le „Hülfs-​Comité für die rus­si­schen Juden“ um die jü­di­schen Kauf­leu­te Her­mann Gum­pertz (1851–1938) und Gus­tav Ga­bri­el Cohen ko­ope­rier­te mit Las­kar und Worm­ser. Wei­te­re Mit­glie­der der Ham­bur­ger Hilfs­ver­eins-​Filiale waren der Ober­rab­bi­ner Mar­kus M. Hirsch (1833–1909), der Ban­kier Paul Mo­ritz War­burg, der Rechts­an­walt Her­mann Sam­son (Le­bens­da­ten un­be­kannt) und der Re­dak­teur des Is­rae­li­ti­schen Fa­mi­li­en­blat­tes und Zio­nist Moses Deutsch­län­der.

Der Hilfsverein und das Logenwesen


Der Be­richt be­tont die sehr guten Be­zie­hun­gen des Hilfs­ver­eins zur U.O.B.B. Groß­lo­ge Deutsch­land (S. 110), dem 1882 in Ber­lin ge­grün­de­ten ers­ten Ab­le­ger der jü­di­schen Or­ga­ni­sa­ti­on B’nai B’rith. Diese Wohl­tä­tig­keits­or­ga­ni­sa­ti­on sah sich so­wohl all­ge­mein der Stei­ge­rung von Hu­ma­ni­tät und To­le­ranz ver­pflich­tet als auch spe­zi­ell der „Für­sor­ge und Er­zie­hung zur mo­der­nen Kul­tur unter den Juden“. Die Groß­lo­ge Deutsch­land hatte be­deu­ten­den An­teil an der Grün­dung und Fi­nan­zie­rung wohl­tä­ti­ger Ein­rich­tun­gen. Ihr Groß­prä­si­dent, der Ber­li­ner Jus­tiz­rat Bert­hold Ti­men­dor­fer (1851–1931) war ein enger Ver­trau­ter Paul Na­thans und wurde auf der Ver­eins­grün­dung zum Mit­glied des ge­schäfts­füh­ren­den Aus­schus­ses des Hilfs­ver­eins er­nannt; Na­than und Simon wur­den im Ge­gen­zug Lo­gen­mit­glie­der. Die Orts­ver­ei­ne des Hilfs­ver­eins und die lo­ka­len Logen ar­bei­te­ten bei Spen­den­samm­lun­gen eng zu­sam­men, häu­fig waren die Lo­gen­brü­der auch Mit­glie­der im Hilfs­ver­ein. Las­kar und Deutsch­län­der waren zu­gleich ak­ti­ve Mit­glie­der der Ham­bur­ger Henry-​Jones Loge. Auch die trans­at­lan­ti­schen Schiff­fahrts­li­ni­en, allen voran die HAPAG und die Lloyd, für die die Ame­ri­ka-​Auswanderung ein sehr lu­kra­ti­ves Ge­schäft dar­stell­te, waren wich­ti­ge Part­ner des Hilfs­ver­eins. Die „guten Be­zie­hun­gen zu den deut­schen Schif­fahrts­ge­sell­schaf­ten“ brach­ten dem Hilfs­ver­ein eine Er­spar­nis von 135.000 Mark für 1907 ein (S. 109).

Vorbereitung auf die Emigration


Der Be­richt ver­an­schau­licht zudem die enge Ko­ope­ra­ti­on des Hilfs­ver­eins mit den Ein­rei­se­län­dern, von denen die USA das Be­deu­tends­te war. Im Jahr 1907 war die trans­at­lan­ti­sche Mi­gra­ti­on auf­grund einer Re­zes­si­on in den USA ins­ge­samt zu­rück­ge­gan­gen. Den­noch wan­der­ten in die­sem Jahr 106.968 Juden in die USA aus, das ent­sprach 80 Pro­zent der Ge­samt­zahl. Laut dem vor­lie­gen­den Be­richt stamm­ten 80 Pro­zent aller jü­di­schen Emi­gran­ten zwi­schen Juli 1906 und Juli 1907 aus Russ­land (S. 103), 1907 ver­lie­ßen schät­zungs­wei­se 35.007 Per­so­nen Deutsch­land über Ham­burg (S. 113). An­ge­sichts einer be­fürch­te­ten mittel-​ bis lang­fris­ti­gen Ver­schär­fung der Ein­rei­se­be­din­gun­gen rück­te ab 1907 auch Pa­läs­ti­na als Ziel­land rus­si­scher Emi­gra­ti­on stär­ker in den Vor­der­grund. Trotz des um­fang­rei­chen Bil­dungs­en­ga­ge­ments des Hilfs­ver­eins in Pa­läs­ti­na blieb Na­than davon über­zeugt, dass die USA als Ziel­land nicht er­setz­bar seien (S. 104).

Hamburg und der Hilfsverein


Der vor­lie­gen­de An­hang zum 6. Ge­schäfts­be­richt ver­an­schau­licht die im­mense Be­deu­tung der Ha­fen­stadt Ham­burg als organisatorisch-​logistisches Zen­trum jü­di­scher Ost­eu­ro­pa-​Auswanderung eben­so wie den Stel­len­wert der Ham­bur­ger Hilfs­ver­eins-​Filiale in­ner­halb des eu­ro­pa­wei­ten Netz­werks jü­di­scher Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen.

Auswahlbibliografie


Tobias Brinkmann (Hrsg.), Points of Passage. Jewish Transmigrants from Eastern Europe in Scandinavia, Germany and Britain 1880–1914, New York u. a. 2013.
Salomon Goldschmidt, Daniel Wormser. Eine biographische Skizze. Dem Andenken seines Begründers und langjährigen Vorsitzenden Daniel Wormser gewidmet vom Israelitischen Unterstützungs-Verein für Obdachlose, Hamburg 1900.
Festschrift anlässlich des 25jährigen Bestehens des Hilfsvereins der deutschen Juden, gegründet am 28. Mai 1901, Berlin 1926.
Paul Laskar, Über Aus- und Rückwanderung, Vortrag gehalten am 17. September 1902 in der Henry-Jones Loge Hamburg, Hamburg 1902.
Louis Maretzki, Geschichte des Ordens Bnei Briss in Deutschland 1882–1907, Berlin 1908.

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Zum Autor

David Hamann, Dr. des., geboren 1981, promovierte 2021 an der FU Berlin mit der Arbeit "Ein Ticket von Brody über Berlin nach New York. Die praktische Solidarität deutscher Juden für osteuropäische jüdische TransmigrantInnen im Krisenjahr 1881/82". Seit 2010 betreibt er als freiberuflicher Historiker die Firma Recherche-Dienste (www.recherche-dienste.de) in Berlin.

Zitationsempfehlung und Lizenzhinweis

David Hamann, Von Hamburg in die Welt – Jüdische Auswanderung und der Hilfsverein der deutschen Juden, in: Hamburger Schlüsseldokumente zur deutsch-jüdischen Geschichte, 22.09.2016. <https://dx.doi.org/10.23691/jgo:article-159.de.v1> [24.05.2025].

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