Der Tätigkeitsbericht Hannah Arendts entstand während der ersten Deutschlandreise, die die 1941 in die Vereinigten Staaten geflohene jüdische Intellektuelle nach Kriegsende antrat. Anders als ihr berühmt gewordener Reisebericht „Besuch in Deutschland“ verweist der „Field Report“ unmittelbar auf die Umstände, die Arendt nach Deutschland führten. Sie kam als Emissärin der 1947 in New York gegründeten Treuhandgesellschaft Jewish Cultural Reconstruction, Inc. (JCR), einem Zusammenschluss der wichtigsten jüdischen Organisationen und Institutionen der Zeit, der sich nach Kriegsende um die Auffindung und Rückführung von jüdischem Kulturraubgut in Europa kümmerte.
Hannah Arendt kam Ende 1949 für vier Monate nach Deutschland und fuhr auch in die britische Besatzungszone, um sich dort einen Überblick über restituierbare Kulturgüter in Hamburg, Hannover, Köln und Lübeck zu verschaffen. Insbesondere in Hamburg lagerten zahlreiche Sammlungen, die unter der Naziherrschaft konfisziert worden waren und einer Erbnachfolgeregelung harrten.
Auf ihrer Reise verfasste Arendt fünf offizielle Berichte für die JCR, die von New York aus an alle Mitglieder des Vorstands verteilt wurden. Diese internen Verständigungspapiere waren nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Sie vermitteln Einblicke in die umfangreichen Aktivitäten jüdischer Organisationen im Umgang mit den Folgen des Holocaust und legen Zeugnis von den Schwierigkeiten ab, denen jüdische Interessenvertreter im Kampf um die Wiederherstellung von Recht und Gerechtigkeit nach 1945 ausgesetzt waren.
Hannah Arendt, Jewish Cultural Reconstruction Field Reports, 1948–1951, Tätigkeitsbericht Nr. 18, 15. Februar – 10. März 1950 (übersetzt von Insa Kummer), veröffentlicht in: Hamburger Schlüsseldokumente zur deutsch-jüdischen Geschichte, <https://dx.doi.org/10.23691/jgo:source-126.de.v1> [06.12.2024].