Das vorliegende Schriftstück enthält eine statistische Aufgliederung der noch in den letzten Tagen des NS-Regimes in Hamburg lebenden Juden. Derartige Statistiken wurden für die Gestapo Hamburg und zur Weiterleitung an die Zentrale der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland (RVJD) in Berlin, die dem Reichssicherheitshauptamt (RSHA) unterstand, etwa 14-tägig erstellt. Als Adressat ist im Kopf die "Geheime Staatspolizei" angegeben, und zwar Referat IV 4b. Das entspricht der parallelen Referatsbezeichnung des Reichssicherheitshauptamtes – Juden- und Räumungsangelegenheiten, Leiter SS-Sturmbannführer Adolf Eichmann. Wer die Statistik in Hamburg erstellt hat, ist dem Schriftstück nicht zu entnehmen. Das hinzugefügte Diktatzeichen „LE“ lässt sich nicht entschlüsseln. Es ist gut möglich, dass der „Vertrauensmann“ der Hamburger jüdischen Restgemeinde, der Arzt Dr. Martin Heinrich Corten, das Schreiben für die Gestapo Hamburg verfasst hat. Interessant ist, dass der Hersteller der Statistik selbst die Weiterleitung einer Abschrift an die Zentrale der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland mit Sitz in Berlin, vorgesehen hat. Als Adresse ist Berlin N 65 angegeben. N 65 war der Ortsteil Wedding. Dies war die Adresse des Jüdischen Krankenhauses in der Iranischen Straße. Da das zustänidge Postamt jedoch in der Schulstraße 7 lag, in der seit dem 22. April für drei Tage die Hauptkampflinie zwischen deutschen und russischen Truppen verlief, kann ausgeschlossen werden, dass die Durchschrift jemals den Adressaten erreichte, wenn sie überhaupt verschickt wurde.
Statistik zur jüdischen Bevölkerung in Hamburg, erstellt von Vertrauensmann der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland für die Gestapo vom 30.4.1945, veröffentlicht in: Hamburger Schlüsseldokumente zur deutsch-jüdischen Geschichte, <https://dx.doi.org/10.23691/jgo:source-5.de.v1> [31.10.2024].