Prinzipiell hatten remigrationswillige und vor dem Nationalsozialismus ins Ausland geflohene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Hamburg als Mitglieder des öffentlichen Dienstes ein gesetzlich geregeltes Recht auf Wiederanstellung.
Die Remigration jüdischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach Deutschland bedurfte dabei mindestens zweierlei: 1) Die Bereitschaft auf jüdischer Seite, überhaupt wieder in das Land und in die Gesellschaft der Täter zurückzukehren. 2) Die Finanzielle Ermöglichung des Lebensunterhalts im zerstörten und wiederaufzubauenden Deutschland. Für letzteres entstanden schnell nach Kriegsende verschiedene Regelungen und nach Gründung der Bundesrepublik ein bundesweiter gesetzlicher Rahmen, die sogenannte Wiedergutmachung. Hierunter werden im Allgemeinen vor allem finanzielle Entschädigungen für entzogenes Eigentum oder für KZ-Haft und deren gesundheitliche Folgen verstanden. Die geschichtswissenschaftliche Forschung stört sich seit längerem an der Begrifflichkeit „Wiedergutmachung“, weil finanzielle Instrumente schwerlich dazu taugen, Verfolgung, Entrechtung, körperliche Qualen und den Verlust von geliebten Menschen wieder gut zu machen. Zudem schwinge dem Begriff eine Entledigung von Schuld mit. Dennoch übernahm die Forschung diesen Begriff als zeitgenössische Bezeichnung für ein System der Vergangenheitsbewältigung in all seinen gewollten und ungewollten Kontexten.
Insgesamt zeigte die Wiedergutmachungspraxis, dass den Opfern viele Hindernisse in den Weg gelegt wurden und eine Remigration aufgrund der geltenden und umgesetzten Regelungen schon aus ökonomischen Gründen kaum möglich war. Beweislast, Untersuchungen, unterschiedlichste Auslegungen unklarer Rechtsvorschriften durch verschiedene Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter und lange Zeit die Nicht-Anerkennung psychischer Folgen der Gefangenschaft in den Konzentrationslagern führten immer wieder zur abermaligen körperlichen wie seelischen Belastung der Betroffenen. Oftmals kam die Wiedergutmachung auch einer zweiten Enteignung gleich, wenn etwa viel zu geringe Entschädigungssummen gezahlt wurden.
Für die ehemaligen und 1933 aus rassistischen Gründen entlassenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes bestanden Sonderregelungen, die vornehmlich auf eine Wiedereinstellung abzielten – bei finanzieller Kompensation der ohne Verfolgung üblichen Karrierewege. Sie hatten bessere Chancen auf vor allem zügige Wiedergutmachung und gegenüber dem privaten Sektor eine privilegierte Stellung, denn nach dem Krieg herrschte Personalmangel. Ein Großteil der Angehörigen des öffentlichen Dienstes war gefallen, in Kriegsgefangenschaft oder wurde im Zuge der Entnazifizierungsverfahren entlassen. Der spürbare Personalmangel musste abgebaut werden, um die Verwaltungsarbeit aufrechtzuerhalten. Zwischen Kriegsende und Juli 1946 gab es im öffentlichen Dienst Hamburgs 1.238 Wiedereinstellungen aufgrund von Wiedergutmachung, im gleichen Zeitraum aber auch 9.400 Entlassungen im Rahmen der Entnazifizierungsbemühungen.
Obgleich auch Universitäten zu öffentlichen Behörden zählten, lag die Situation hier anders. Die zu entschädigenden ehemaligen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler standen in Konkurrenz zu den aus den abgetrennten Ostgebieten und der sowjetischen Besatzungszone Geflüchteten sowie zu den aus Österreich, der Tschechoslowakei und aus dem Elsaß kommenden fast ausschließlich männlichen Professoren. Hinzu ist auf die besondere Spezialisierung von Forschenden hinzuweisen. Es galt zwar auch im wissenschaftlichen Bereich eine ganze Reihe an Personal zu ersetzen. Aber die remigrationswilligen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mussten jeweils eine passgenaue Qualifikation nachweisen, um für eine Wiedergutmachung durch Wiedereinstellung in Frage zu kommen. Verfolgte hatten sich für die Wiedergutmachung an ihre ehemalige Dienststelle zu wenden, nicht an andere Einrichtungen, denn die Universitäten waren nach den geltenden gesetzlichen Regelungen nur für die 1933 aus der eigenen Institution entlassenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verantwortlich. Die Wahrscheinlichkeit, dass gerade an der einen Universität in dem einen Fachbereich eine Professur mit der entsprechenden Spezialisierung frei war, die man selbst aufwies, war nicht sehr hoch.
Zudem: Insgesamt hatte sich im deutschen Wissenschaftssystem die Auffassung breit gemacht, die NS-Zeit unbeschadet und weitgehend integer überstanden zu haben. Eine moralische Verantwortung gegenüber den vertriebenen Kolleginnen und Kollegen sahen viele daher nicht.
Dies war gesetzlich unterlegt, denn neben dem Verfolgungshintergrund bestimmten die gesetzlichen Regelungen die fachliche Eignung als Kriterium für die Wiedereinstellung. Und: Über diese fachliche Eignung entschieden die Universitäten selbst. Das heißt, dass gerade die Professoren für die wissenschaftliche Begutachtung der Remigrantinnen und Remigranten verantwortlich waren, die 1933 selbst an den Entlassungen und Vertreibungen aus dem Amt beteiligt gewesen waren oder die die ehemaligen Lehrstühle der Verfolgten und Geflüchteten innehatten. Ein häufiges Argument gegen die Wiedereinstellung derer, die 1933 noch keine ordentliche Professur innehatten, war ab 1945 zudem die Nicht-Planbarkeit von wissenschaftlichen Karrierewegen. Es gebe keinen Beweis, dass Person X oder Y es ohne die Verfolgung auf eine Professur geschafft hätte. Die Einschätzung der potentiellen Karrierewege war von der zwar fachlich unterlegten, aber doch subjektiv geprägten Perspektive einzelner an den Fakultäten angestellter Professoren abhängig. Wie unterschiedlich diese ausfallen konnten, zeigt ein Vergleich der Stellungnahmen zu Walter A. Berendsohn und Siegfried Landshut.
Die Weigerungen, Berendsohn wieder als Mitglied in die Fakultät aufzunehmen interpretiert Rainer Nicolaysen vor dem Hintergrund einer Kultur des weitgehenden Beschweigens der nationalsozialistischen Vergangenheit, die nicht nur, aber eben auch, an den Universitäten herrschte: „Der politisch denkende Exilforscher drohte das Beschweigen der NS-Vergangenheit zu stören und wurde dafür mit einer Diffamierungskampagne bestraft.“ [1]. Auf der anderen Seite spielte die Eigenschaft als Wiedergutmachungsberechtigter bei Siegfried Landshut im Berufungsvorschlag eine nur beiläufige Rolle. Kern der Argumentation war die wissenschaftliche Qualität des Kandidaten.
Die Lebenswelt der emigrierten Jüdinnen und Juden in den späten 1940er- und frühen 1950er-Jahren passte nicht zu dem in Deutschland entwickelten System der Wiedergutmachung durch Wiedereinstellung. Denjenigen, die im Ausland zu festen und besoldeten Anstellungen gekommen waren, fehlte ein ökonomischer Anreiz, sich in einem Land mit weitgehend zerstörter Infrastruktur in die Tätergesellschaft wiedereinzugliedern. So lehnte unter anderem Erwin Panofsky eine Rückkehr an die Hamburger Universität ab.
Viele der Vertriebenen bzw. Emigrierten konnten im Exil aber keine entsprechend gesicherte und beruflich adäquate Existenz aufbauen. Sie waren dann in dieser Zeit aber auch nicht in der Lage, ihre wissenschaftliche Expertise auszubauen, die sie in den Augen der sie begutachtenden Fakultäten als wissenschaftlich geeignet hätten erscheinen lassen, um wieder eingestellt zu werden.
Erst seit den 1980er-Jahren, lange nach dem Ende von Schoah und Krieg und nach mehr als einem Generationswechsel bei den Hochschullehrern, setzte weiter verbreitet eine bewusste, offene und selbstkritische Aufarbeitung der nationalsozialistischen Zeit innerhalb der Universitäten ein. An der Universität Hamburg wurde nach einem mehrjährigen Projekt 1991 mit dem dreibändigen Werk „Hochschulalltag im dritten Reich“ eine der ersten umfassenden Aufarbeitungen der nationalsozialistischen Vergangenheit einer deutschen Universität vorgelegt, die richtungsweisend für diesen Forschungszweig werden sollte.
Zu dem Zeitpunkt, als die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit der eigenen nationalsozialistischen Vergangenheit an den Universitäten wuchs und eine Anerkennung des Anspruchs auf Wiedereinstellung für Verfolgte allgemeinere Anerkennung fand, hatten die Betroffenen in der Regel die Emeritierungsgrenze bereits überschritten. Daher rückten andere, mehr ideelle als materielle Formen der Wiedergutmachung in den Fokus der Universitäten. So wurden – oft kurz vor dem Ableben der Betroffenen – Ehrendoktorwürden an die mittlerweile hochbetagten ehemaligen Mitglieder des Lehrkörpers verliehen. An der Universität Hamburg wurden Stolpersteine für die Opfer aus dem Kreis der sogenannten Hamburger Weißen Rose verlegt. Im Hauptgebäude wurden Hörsäle nach Verfolgten, Entrechteten und Ermordeten unter den ehemaligen Mitgliedern der Universität benannt und mit Festakten eingeweiht. Auch die Umbenennung von Instituten, wie zum Beispiel die „Walter A. Berendsohn Forschungsstelle für deutsche Exilliteratur“, soll die Erinnerung an die Verfolgten und Entrechteten wach halten und sie in ihrer menschlichen Würde wie auch ihre wissenschaftlichen Leistungen ehren.
[1] Rainer Nicolaysen, Berendsohn, Walter Arthur, in: Dirk Brietzke / Franklin Kopitzsch (Hrsg.), Hamburgische Biografie. Personenlexikon, Bd. 3, Göttingen 2006, S. 37-39, hier: S. 38.