Wie erinnern und erzählen jüdische Verfolgte die (vorübergehende) Rückkehr in ihre „alte Heimat“? Welche Erfahrungen machen sie in der Stadt, aus der sie vertrieben oder deportiert worden sind? Und wie deuten sie ihre Remigrationserfahrungen im lebensgeschichtlichen Rückblick? Diese Fragen bilden den Ausgangspunkt für die hier präsentierte Zusammenstellung von Interviewauszügen aus der Werkstatt der Erinnerung, dem Oral-History-Archiv an der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg.
Die Werkstatt der Erinnerung sammelt seit über 30 Jahren Interviews mit jüdischen Verfolgten und ihren Nachkommen, sodass dieser Bestand mittlerweile mehr als 700 Interviews umfasst. In etwa 50 davon wird das Thema Rückkehr angesprochen. Eine kleine Auswahl an Remigrationserzählungen findet sich in diesem Dossier.
Besonderer Wert wurde bei der Auswahl darauf gelegt, eine Bandbreite an Entscheidungen für oder gegen eine (vorübergehende) Rückkehr sowie unterschiedliche Formen der Remigration abzudecken, um auf die Subjektivität und Heterogenität zu verweisen, die dieses Thema ausmachen. Zu Wort kommen so vier Frauen und vier Männer, die zwischen 1903 und 1928 in Deutschland zur Welt kamen, den Holocaust trotz der Deportationen in verschiedene Lager überleben oder rechtzeitig ins rettende Exil flüchten konnten. Sie alle kehrten nach dem Zweiten Weltkrieg für kürzere oder längere Zeit nach Hamburg zurück und waren bereit über ihre Erfahrungen zu sprechen. Die Rückkehr konnte dabei sowohl aus dem Exil oder einem neuen bzw. vorübergehenden Zuhause im Ausland als auch nach der Befreiung aus einem Lager erfolgen, so etwa bei Ruth Dräger, die nach ihrer zweijährigen Haft 1945 aus dem Ghetto Theresienstadt zurück nach Hamburg kam. Dass die Rückkehr oder das Nachdenken über Remigration von den jeweiligen Lebenskontexten abhängt und demnach zu sehr unterschiedlichen Zeiten stattfindet, verdeutlicht das Interview mit Franziska Mayer, die 1989 aus Peru remigrierte, von wo sie nach über 50 Jahre aufgrund von politischen Unruhen erneut flüchten musste. Allein diese beiden Beispiele zeigen wie vielfältig die hier präsentierten (Re-)Migrationsverläufe und -wege sind. Den facettenreichen Erzählungen gemein ist, dass sie Zugehörigkeiten reflektieren, Veränderungen von Stadt und Gesellschaft diskutieren und sich auf je subjektive Weise mit ihren Verfolgungs- und Migrationserfahrungen auseinandersetzen. Die Ausschnitte machen deutlich, dass sich Fragen von Remigration und Zugehörigkeiten besonders gut in persönlichen Narrativen – im Spannungsfeld von (familien-)biografischen Erfahrungen und gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen – nachvollziehen lassen. Die jeweils gefundenen Antworten sind ebenso individuell wie sie situativ verschieden sein können. Die Interviewausschnitte sind damit Quellen für die Deutung der jeweiligen Lebens- und (Re-)Migrationswege durch die Erzählenden zum Zeitpunkt ihrer Aufnahme.
Wer die Interviews in Gänze anhören und vertieft damit arbeiten möchte, ist herzlich willkommen, sie in der Werkstatt der Erinnerung einzusehen.