Die Wirtschaftstätigkeit von Juden wies in Deutschland wie in Hamburg seit der frühen Neuzeit im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung einige Besonderheiten auf: Ausgelöst durch rechtliche und politische Beschränkungen arbeiteten Juden häufiger im Handel und Finanzwesen, seltener im Handwerk und in der Landwirtschaft. In Handelsmetropolen wie der Hansestadt Hamburg hatten sie dadurch seit ihrer Ansiedlung im 16. und 17. Jahrhundert eine spezielle Position inne. In Folge der Emanzipationsdebatte kam die wirtschaftspolitische Idee einer „Produktivierung“ der Juden auf. Damit war eine Umschichtung vom Handel und Kreditwesen in angeblich produktivere Berufe im Handwerk und in der Landwirtschaft gemeint. Ein Vorhaben, das schon bald anachronistisch werden sollte. Im 19. Jahrhundert stiegen Juden in einem Verbürgerlichungsprozess sozial auf. Da sie dadurch verstärkt eine höhere Schulbildung sowie eine akademische Ausbildung erhielten, veränderte sich ihre Berufsstruktur. Eine wachsende Zahl zielte auf eine Karriere in den freien Berufen, wie Arzt oder Rechtsanwalt. Die Beamtenlaufbahn blieb Juden bis ins frühe 20. Jahrhundert aus formellen und informellen Gründen in der Regel verwehrt. Die Ausgrenzungspolitik des nationalsozialistischen Regimes beinhaltete von Beginn an auch den Versuch, die Juden systematisch aus dem Wirtschaftsleben Hamburgs und des Deutschen Reiches zu drängen. Wenige Jahre nach Kriegsende sollte die sogenannte Wiedergutmachungspolitik der frühen Bundesrepublik Deutschland dazu beitragen, den erlittenen wirtschaftlichen Schaden auszugleichen, was aber in vielerlei Hinsicht unzureichend bleiben musste. Die neu gegründeten Gemeinden konnten aufgrund ihrer veränderten Zusammensetzung und der kleinen Größe nicht mehr zu ihrer wirtschaftlichen Bedeutung der Vorkriegszeit zurückkehren.
Die Berufs- und Wirtschaftsstrukturen der Juden im deutschsprachigen Raum war seit dem Mittelalter davon geprägt, dass sie nicht in die Zünfte aufgenommen wurden und somit faktisch von allen zünftigen Handwerken ausgeschlossen blieben. Ein wichtiger ihnen offenstehender Berufszweig stellte hingegen der Geldverleih und das Bankgeschäft dar, zumal Christen bei solchen Tätigkeiten oft durch religiöse Vorschriften eingeschränkt waren. Zugleich durften sich Juden in den verschiedenen Staaten als Händler oder Kaufleute ansiedeln, weil die christlichen Herrscher davon ausgingen, dass sie über internationale oder zumindest überregionale Kontakte und Handelsbeziehungen verfügten. Dies stärkte ihre Position im Handel. Diese Grundstrukturen galten auch für die Ansiedlung von Juden in Hamburg seit Ende des 16. Jahrhunderts. So kamen zunächst vor allem sefardische Kaufleute, die im überregionalen Handel tätig waren, in die Handelsmetropole. Im weiteren Verlauf des Jahrhunderts verlagerte sich ihre Erwerbstätigkeit jedoch zunehmend auf den Geldverkehr und das Kreditwesen.
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts siedelten sich auch aschkenasische Juden in Hamburg an, die ebenfalls überwiegend im Handel tätig waren, allerdings häufiger im Kleinhandel. Rechtliche Beschränkungen begrenzten auch ihre Wirtschaftstätigkeit in der Handelsstadt. So hatte die Judenordnung von 1710 den Ausschluss von Juden aus den Zünften bestätigt, ihnen das Zinsgeschäft aber erlaubt, wenn auch mit einigen Einschränkungen gegen Wucher. Zu den ersten aschkenasischen Schutzjuden Hamburgs gehörte der Vater Glückel von Hamelns, der Pfandleiher und Juwelenhändler Juda Joseph, der allerdings 1648 nach Altona vertrieben wurde. Glückel konnte sich mit ihrem Ehemann Chajim wieder in Hamburg niederlassen und führte dort nach dessen Tod das Goldhandelsgeschäft weiter. Auch wenn ihre Biografie als Frau für das frühneuzeitliche Wirtschaften von Juden keineswegs repräsentativ ist, so steht sie doch beispielhaft für die Bedeutung des Handels für die jüdische Minderheit. Durch ihre Konzentration auf den Kaufmannsstand, das Finanzwesen sowie die freien Berufe blieben die Juden als Gruppe folglich weiterhin in der Moderne sichtbar.
Als Teil der Emanzipationsdebatten in den deutschen Landen, die seit der Aufklärung geführt wurden, erörterte man regelmäßig wirtschaftspolitische Fragen. Ein wichtiger Aspekt war dabei die Vorstellung einer notwendigen „Produktivierung“ der Juden. Dabei ging man davon aus, dass die Konzentration von Juden in angeblich unproduktiven Wirtschaftsbereichen wie dem Handel oder dem Kreditwesen der wirtschaftlichen Entwicklung abträglich sei und dass Juden als Teil ihrer Emanzipation in produktivere Berufe wie der Landwirtschaft oder dem Handwerk überführt werden müssten.
Entsprechende Produktivierungsversuche hat es auch in Hamburg gegeben: 1815 gründeten liberale Kräfte in der jüdischen Gemeinde die Israelitische Freischule, die im Gegensatz zur Talmud Tora Schule keine orthodoxe religiöse Ausbildung anbot, sondern ihre zumeist armen Schüler auf ein Handwerk oder ein Gewerbe vorbereiten sollte. Dem gleichen Ziel verschrieben sich der Verein zur Förderung des Handwerks unter den Israeliten sowie ab 1906 auch der Verein selbständiger jüdischer Handwerker und Gewerbetreibende in Groß-Hamburg. Die Argumentationen, dass Handel und Geldwesen unproduktive Wirtschaftsbereiche seien, leuchteten in einer Handelsmetropole wie Hamburg weniger als beispielsweise im ländlich geprägten Preußen ein. Außerdem zeigten diese Bemühungen im 19. Jahrhundert letztlich nicht überall in Deutschland die erhofften Erfolge. Die wirtschaftliche Entwicklung ließ eine Karriere im Handwerk und in der Landwirtschaft – auf letztere legte man bei den Produktivierungsbemühungen in den ländlichen Flächenstaaten des deutsches Reiches zusätzliches Gewicht – wenig aussichtsreich erscheinen. Demgegenüber stieg die Attraktivität der freien Berufe, des Handels oder des Bankenwesens im Laufe des 19. Jahrhundert an, da sie zu den dynamischen Bereichen moderner Volkswirtschaften wurden.
Unabhängig von den Produktivierungsbemühungen taten sich mit den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen durch die Emanzipation neue Berufsfelder auf, sodass sich das Tätigkeitsprofil der jüdischen Minderheit langfristig veränderte. Es fand ein kontinuierlicher sozialer Aufstieg in den neu entstehenden bürgerlichen Mittelstand statt. Die Gewerbefreiheit wurde erst in den Jahren ab 1860 flächendeckend eingeführt, mit der Gründung des Norddeutschen Bundes 1866 wurde diese einheitlich geregelt. Ähnlich wie zuvor die Einschränkungen in der Berufswahl, so entwickelten sich nun die Berufsfelder regional sehr unterschiedlich und auch die Bereitschaft der jüdischen Minderheit, neue Berufe zu ergreifen, variierte von Ort zu Ort. Dies lag größtenteils an den von Einzelstaat zu Einzelstaat unterschiedlich geregelten Zulassungen beispielsweise zu Handwerk oder Grund- und Immobilienbesitz. In Hamburg fiel die „Wohn-, Eigentums- und Erwerbsbeschränkung“ für Juden am 1.12.1842. Diese Entscheidung war nicht ohne Hintergedanken: Nach dem verheerenden Brand von 1842, der große Teile Hamburgs zerstört hatte, erhoffte sich die Stadt davon, dass die Juden Brandgrundstücke erwerben und so zum Wiederaufbau der Stadt beitragen würden. Dies sollte der Stadt Einnahmen bescheren.
Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die große Mehrheit der deutschen Juden arm. Die Hälfte von ihnen arbeitete als Handlungsgehilfen, Hausangestellte und Tagelöhner, gehörte also zur Unterschicht. Während noch um 1850 etwa die Hälfte der deutschen Juden als arm gelten muss, waren dies 1871 nur noch 25 Prozent. Innerhalb nur eines Jahrhunderts hatten sich Juden zu einer mehrheitlich mittelständischen und urbanen Gruppe entwickelt. Etwa zwei Drittel der jüdischen Bevölkerung gehörten von ihrer Berufsstruktur, vom Einkommen und vom Habitus her seit dem Kaiserreich dem Bürgertum an.
Am deutlichsten zeigt sich die Verbürgerlichung der deutschen Juden im Bereich der freien Berufe: 1862 waren zwei Drittel der jüdischen Erwerbstätigen Preußens als Selbstständige berufstätig, im Jahr 1925 waren noch etwa die Hälfte selbstständig tätig, gegenüber etwa nur 17 Prozent der Gesamtbevölkerung. Der Anteil von Juden in den verschiedenen Bereichen der freien Berufe war dabei nicht überall gleich hoch: Im künstlerischen Feld waren im Kaiserreich knapp über 2 Prozent tätig, bei den Ärzten waren es hingegen um die 6 und bei den Anwälten sogar 14 Prozent. Dies lag unter anderem an dem hohen Wert, der unter Juden einer akademischen Ausbildung beigemessen wurde. Da zugleich der Staatsdienst den meisten Juden noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein verschlossen blieb, waren es die freien Berufe, die einen sozialen Aufstieg versprachen. Folglich gab es nur wenige Richter, Staatsanwälte und Professoren, die jüdischer Herkunft waren, dafür umso mehr Rechtsanwälte, Journalisten und Ärzte. Reichsweit waren Ende des 19. Jahrhunderts 15 Prozent der Rechtsanwälte jüdisch; 1925 stieg der Anteil sogar auf etwa ein Viertel aller Anwälte.
Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes
1869 zur Gleichstellung von Jüdinnen und Juden,
unveränderter Abdruck 1891.
Quelle: Wikimedia Commons, gemeinfrei.
Nach Erlass des Gleichstellungsgesetzes von 1869 fielen religiös begründete Einwände gegen Juden im Staatsdienst weg und so wurden im Jahr 1870 die ersten vier Juden zu Amtsrichtern ernannt. Ausnahmen hatte es auch vorher schon gegeben: Gabriel Riesser, der sich auch als Politiker einen Namen machte, war bereits 1859 zum Obergerichtsrat in Hamburg ernannt worden. Tatsächlich aber war es weiterhin nur selten möglich, in den Staatsdienst berufen zu werden. Die rechtlichen Hindernisse, die Juden auch weiterhin vom Aufstieg in leitende Stellungen im Justizdienst fernhielten, fielen erst nach dem Ersten Weltkrieg weg. Durch den fehlenden Zugang zu Netzwerken und informellen Diskriminierungen barg auch die akademische Karriere zahlreiche Hürden und noch in der Weimarer Republik erhielten Juden nur selten einen Lehrstuhl an einer Universität.
In Hamburg folgte die Berufsstruktur der Juden noch gegen Ende des 19. Jahrhunderts dem genannten Trend der Verbürgerlichung, unterschied sich jedoch auch dort markant von der allgemeinen Bevölkerung. 55 Prozent konzentrierten sich im Handel, vor allem im Waren- und Produktenhandel, sowie 17 Prozent in der Industrie, insbesondere in der Bekleidungsindustrie. 7,5 Prozent der Hamburger Juden arbeiteten in den freien Berufen wie Rechtsanwälte, Ärzte und Journalisten. Demgegenüber waren in der Gesamtbevölkerung Hamburgs mit einem Drittel deutlich weniger im Handel und mit einem weiteren Drittel deutlich mehr Personen in der Industrie beschäftigt. Es überrascht daher auch nicht, dass die Hamburger – wie auch viele deutsche – Juden eine deutliche Tendenz zur selbstständigen Tätigkeit besaßen; man fand sie lange Zeit nur selten in einem Angestelltenverhältnis.
Allerdings war das soziale Spektrum bei dieser beruflichen Verteilung sehr groß. Neben vielen mittelständischen oder kleinbürgerlichen Existenzen gab es auch wenige großbürgerliche und wohlhabende Hamburger Juden wie den Bankier Salomon Heine oder den Reeder Albert Ballin. Die wirtschaftliche Struktur der Hamburger Juden hatte sich somit durchaus modernisiert, sie war gleichzeitig aber im Vergleich mit der der Gesamtbevölkerung der Hansestadt immer noch besonders.
Porträt von Albert
Ballin, Datum unbekannt.
Quelle: archive.org, abgedruckt in: Frederic
William Wile, Men around the Kaiser. The makers of modern Germany,
London 1913, S. 33.
Jüdische Frauen waren im 19. und 20. Jahrhundert prozentual gesehen seltener erwerbstätig als nichtjüdische Frauen, was sicherlich ihrer proportional häufigeren Zugehörigkeit zum Bürgertum entsprach: Einer Statistik von 1907 zufolge waren sie nur zu 18 Prozent berufstätig, gegenüber 30 Prozent der weiblichen Allgemeinbevölkerung. Besonders bei den landwirtschaftlich Arbeitenden war das Missverhältnis zwischen Jüdinnen und Nichtjüdinnen augenfällig: Hier waren nur 3,5 Prozent der Jüdinnen gegenüber 43 Prozent aller Frauen tätig. In der Weimarer Republik, bedingt durch die weitergehende Modernisierung und zugleich die krisenhafte wirtschaftliche Lage, nahm auch die Erwerbstätigkeit von Jüdinnen zu. Ein Drittel aller jüdischen Frauen zwischen 15 und 65 war in Preußen im Jahr 1925 erwerbstätig – diese Zahl lag aber noch immer deutlich unter dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung, wo die Quote weiblicher Erwerbsarbeit bei fast 50 Prozent lag.
Von Beginn an beabsichtigte das nationalsozialistische Regime, die Juden aus dem Wirtschaftsleben zu verdrängen. Der Boykottaufruf der SA vom 1.4.1933 zielte bereits auf viele jüdische Geschäfte, aber auch auf Ärzte und Rechtsanwälte. Von den ungefähr 100.000 Betrieben und Geschäften in Deutschland, die 1933 in jüdischem Besitz gewesen waren, mussten in den ersten beiden Jahren nach der Machtübernahme bereits 25.000 aufgegeben werden. Mit dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7.4.1933, das die weitere Ausführung einer Beamtentätigkeit an einen „Ariernachweis“ band, verloren jüdische Beamte und Richter ihre Anstellungen; ähnlich lautende Verordnungen trafen später jüdische Anwälte, Notare, Ärzte und Steuerberater. Aber auch andere Berufsvereinigungen führten bald selbstständig solche Regelungen ein und große Wirtschaftsunternehmen kündigten ihren jüdischen Mitarbeitern. Mit der 1933 beginnenden und sich ab 1937 verschärfenden „Arisierung“ wurden jüdischen Inhaber gezwungen, ihr Unternehmen zu verkaufen, an einen nichtjüdischen Mitarbeiter oder die Konkurrenz zu übertragen. Mit der Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben vom November 1938 intensivierte sich die „Arisierung“ weiter, sodass nun auch der jüdische Immobilienbesitz und die Privatvermögen ins Visier der nationalsozialistischen Verfolger gerieten. In Hamburg verlief der „Arisierungsprozess“ etwas langsamer als in anderen Gebieten Deutschlands, was zum einen an der Anonymität der Großstadt lag, wodurch Boykottaktionen gegen Juden weniger effektiv waren. Zum anderen wirkte sich hier die anfängliche Vorsicht der lokalen NS-Führung aus, welche die schwierige Wirtschaftslage der Stadt nicht zusätzlich verschlechtern wollte. Dennoch waren bis 1939 etwa 1.500 Unternehmen, die sich im Besitz von Juden befanden, aufgelöst oder an „Arier“ veräußert worden, regelmäßig weit unter Wert.
Kurzwarenhandlung von Isaak Salzberg im
Neuen Wall in Hamburg, 1936.
Quelle: Bilddatenbank des Instituts für die Geschichte der deutschen Juden, Sammlung
Ursula Randt, aus Privatbesitz: Jutta Levy (USA).
Juden reagierten in vielfältiger Weise auf die wirtschaftliche Ausgrenzung. Mit wirtschaftlichen Problemen waren sie schon länger vertraut, waren sie doch bereits seit der Weltwirtschaftskrise ab 1929 in Not geraten. Die jüdischen Gemeinden hatten schnell damit begonnen, Sofortmaßnahmen zu ergreifen, um ihre Gemeindemitglieder zu unterstützen. So intensivierte man die Berufsberatung und -vermittlung und bot Hilfe zur Berufsumschichtung an. Angesichts der radikal schrumpfenden Erwerbsmöglichkeiten für Juden nach 1933 mussten solche Maßnahmen ausgeweitet werden. So entstand zunehmend ein paralleler Wirtschaftskreis von Juden für Juden. Eine besondere Rolle spielte dabei auch das seit den 1920er-Jahren existierende Ausbildungswesen Hachschara, das vornehmlich junge Juden beruflich auf die Ansiedlung in Palästina vorbereitete, was zumeist auch Schulungen in Landwirtschaft, Handwerk etcetera umfasste. In Hamburg bildeten sich dafür mehrere Hachschara-Zentren, etwa in Rissen und in Blankenese. Insgesamt raubte die wirtschaftliche Ausgrenzung vielen Juden die Existenzgrundlage und trieb sie, soweit es ihnen möglich war, in die Emigration, was genau die intendierte Folge des NS-Regimes darstellte.
Die Berufsstruktur der sich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bildenden jüdischen Gemeinschaft, die in ihrem Kern aus osteuropäischen Zuwanderern und Displaced Persons (DPs) bestand, folgte nicht mehr den Vorkriegsmustern. Und doch hatte die Praxis der Westalliierten in der unmittelbaren Nachkriegszeit in einigen Regionen wieder ein besonderes Wirtschaftsprofil zumindest der ersten Nachkriegsgeneration der jüdischen Gemeinschaft hervorgebracht: In Deutschland verbliebene Juden, darunter viele polnische, erhielten von den Alliierten besonders unkompliziert Konzessionen für Gaststätten und Bars, manche konnten im Immobiliengeschäft Fuß fassen. Im Handel fiel weiterhin die Häufung von jüdischen Geschäftsleuten in der Textilbranche in den 1950er- und 1960er-Jahren auf. Eine weitere starke Gruppe unter den in Deutschland verbleibenden, vor allem aber der nach Deutschland zurückkehrenden Juden waren die Juristen: nicht nur die deutsche Sprache, sondern auch die Kenntnis des deutschen Rechtssystems hatten es ihnen besonders schwergemacht, im Exil Fuß zu fassen. Beides begünstigte nach dem Krieg ihre Rückkehr nach Deutschland.
Eine in der nichtjüdischen Bevölkerung besonders umstrittene wirtschaftspolitische Maßnahme der Bundesrepublik stellte die Wiedergutmachungspolitik dar, die unter anderem auch die Rückerstattung oder Entschädigung für konfisziertes und verlorenes Eigentum an ehemalige deutsche Juden vorsah. Hamburg war hierbei Vorreiter, schuf die Bürgerschaft doch bereits 1948 die Möglichkeit, anerkannten Verfolgten des NS-Regimes Renten zu zahlen. 1949 folgte ein „Haftentschädigungsgesetz“ und 1953 ein „Allgemeines Wiedergutmachungsgesetz“, bis dann 1956 das Bundesentschädigungsgesetz verabschiedet wurde. So umstritten die Wiedergutmachungspolitik zunächst sowohl bei vielen Holocaust-Opfern wie auch in der Bevölkerung der Bundesrepublik war, stellte sie gleichwohl eine wichtige Maßnahme dar, erlittenes Unrecht anzuerkennen und dessen Kompensation zumindest zu versuchen.
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Uffa Jensen (Themen: Recht und Politik / Wirtschaft und Berufsstruktur), Prof. Dr. phil., hat seit 2018 eine Heisenberg-Forschungsprofessur der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) am Zentrum für Antisemitismusforschung, wo er auch stellvertretender Direktor ist. Zu seinen Forschungsinteressen zählen: Wissens- und Wissenschaftsgeschichte, transnationale Geschichte, Geschichte der Psychoanalyse, moderne jüdische Geschichte und Geschichte des Antisemitismus.
Uffa Jensen, Wirtschaft und Berufsstruktur, in: Hamburger Schlüsseldokumente zur deutsch-jüdischen Geschichte, 22.09.2016. <https://dx.doi.org/10.23691/jgo:article-223.de.v1> [07.12.2024].